Wie hat man Social Commerce zu verstehen?

Für das künftige (Online-)Marketing wird Social Commerce als nächster Schritt im E-Commerce besonders knifflig werden. Das Problem ist, dass wenn die Architektur und der Inhalt des Begriffs Social Commerce für viele Unternehmer aus dem Onlinehandel noch unausgegoren und unverständlich sind, wie sollen dann die Kunden auf diese Entwicklung reagieren? Tatsache ist, dass Kunden beim Onlineshoppen bereits voll in der praktischen Materie des Social Commerce stecken. Es sind die Shops und die verständlicherweise überforderten Marketeers, die meiner Meinung nach hinterher hängen.

Dass Onlineshops irgendwie darauf reagieren, zeigt sich in der Einführung zahlreicher Features, die dem Einkaufen eine soziale Komponente verpassen. Das ist schön und gut, dennoch ist es wichtig, dass das nicht das Ende war und dass man sich nicht in Sicherheit wiegen sollte, nur weil es jetzt neue boomende Geschäftsmodelle gibt wie Liveshopping-Portale oder Shopping-Clubs. Das reicht nicht.

Und insbesondere das Marketing hat hier zu kämpfen. Ja, Twitter zu nutzen, Xing-Kontakte zu pflegen oder sämtliche technischen Neuheiten im Blickfeld zu haben, damit man keine Facette des Trend-Zeitalters verpennt, ist sehr wichtig. Social Commerce bedeutet in jedem Fall nicht nur geile und billigere Produkte anzubieten und dabei einen Unterhaltungsfaktor für den Kunden bereit zu stellen, es bedeutet, dass das Zuhören noch wichtiger als Twitter und alle anderen Tools ist, zu denen jetzt neue Marketing-Strategien produziert werden. Es wird gesagt, dass man über diese Tools am besten zuhören kann, viele nicken das einfach ab und die wenigsten wissen damit mehr über Social Commerce. Im Gegenteil, Twitter wird recht selten mit Social Commerce in Verbindung gebracht und das zu Recht. Denn die wenigen, die in Deutschland aktiv twittern, wie viele davon sind Onlineshopper und wie viele nutzen Twitter dazu, um von Shops oder Agenturen erhört zu werden?

Eine sehr wichtige Frage, wie ich finde. Hier hat die Angst, irgendwelche Trends zu verschlafen, ihre Sollbruchstelle.

Social Commerce muss zukünftig ausschließlich aus der Kundenperspektive verstanden werden, und das heißt auch, sich unangenehmen Fragen zu stellen. Jochen Krisch von excitingcommerce.de liefert in seiner letzten Internet World Business-Kolumne (13/09) unter dem Titel „Das Ende der Tradition“ einige interessante Hinweise. Die Trendstudie „Webshopping 2009„, von Quelle im Mai herausgegeben, hat neben vielen Bestätigungen bezüglich der eingesetzten Features (Bewertungen, Empfehlungen, etc.) auch ergeben, dass Kunden zwar großen Wert auf Sicherheit und Seriosität von Onlineshops legen, jedoch haben Werte wie die Bekanntheit eines Shops, die Identifikation mit einer Marke keinen Einfluss mehr darauf, ob sich ein Kunde lange an einen bestimmten Shopanbieter binden möchte, so wie es früher noch der Fall war als man Kataloge gewälzt hat (liebe Grüße an Otto, Quelle und Neckermann). Dennoch gilt die machbare Devise, man sollte und könnte Kunden zu Fans, und im allerbesten Fall andersrum, Fans zu Kunden machen.

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Einzelne genannte Features, wie Empfehlungen und Bewertungen, die jetzt vor den Social Commerce-Wagen gespannt werden, stammen aus dem Zeitalter des Web-2.0s, ein Begriff – das ist auch ein Trend – der sich mittlerweile einer großen Unbeliebtheit erfreut. Social Commerce: die Summe aus Web-2.0 und E-Commerce?

Heute und in Zukunft wird Social Commerce so ablaufen: Ein Kunde gestaltet nach seinen Vorstellungen ein Produkt, benutzt dazu Tools und Werkzeuge auf Onlineshops, erstellt User Generated Content, empfiehlt und bewerten, konsumiert ebenso solche Empfehlungen und Bewertungen und sagt dann „Das ist das Produkt, das ich haben will. Welcher Shop kann mir das herstellen lassen und verkauft es mir dann billig?“. Ja, der gegenwärtige (nicht der zukünftige, wie oftmals falsch gedeutet) Online-Kunde will kontrollieren, sich und andere vernetzen und Inhalte bestimmen und auch selber erstellen. Das Ziel der Online-Shops und Unternehmer muss sein, ihn dieses machen zu lassen, um sich dann mit diesen Ergebnissen zu vernetzen.

Und in einer guten, aufgeklärten und ehrlichen Welt, sollten Marketeers daraus resultierende Erkenntnisse teilen. Auf Twitter. B2B. Ob es dazu einer Strategie bedarf (also ein Marketing-Modell für Twitter), wie sie derzeit von Jedermann entwickelt wird, ist fraglich. Viel wichtiger ist, dass man sicherstellt, dass die Strategie Kunden zuzuhören und machen zu lassen, positive Auswirkungen hat. So lernt man möglicherweise Social Commerce zu verstehen. Social Commerce verstehen heißt Kunden zu verstehen.

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11 Reaktionen zu “Wie hat man Social Commerce zu verstehen?”

  1. Sorry, was den letzten Satz angeht, da hab ich doch meine Schwierigkeiten mit. Weil er auch wieder so generell daher kommt.
    Ich z.B. behaupte, dass ich meine Kunden sehr gut verstehe. Und weil ich das tue werde ich sie weder mit meinem Blog noch je mit irgendwelcher Twitterei behelligen.
    Eine Verkaufsstrategie die auf Twitter und Co setzt, halte ich, mit Verlaub, für ein Armutszeugnis für das Produkt.

  2. Oder, wie unser Wortführer zu sagen pflegt:
    „Sie brauchen kein Kundenbindungsprogramm.
    Sie brauchen ein Kundenbindungsprodukt.“

  3. Sehr schöner Post. Ich störe mich nur etwas in der Darstellung, Social Commerce sei quasi kundeninduziertes Mass Customization und Shops ohne Social Netowrk Anbindungen werden ein dickes Problem haben.
    Der Kunde ist (und wird) nicht immer in der Lage sein überhaupt seine Wünsche zu artikulieren. Die Einbeziehung von Social Komponenten dient klar dem Kundenverstehen. Leider ist der Kunde oft noch nicht so weit ;)

  4. @Frank. Ich denke man sollte es eher als eine Add-on Möglichkeit sehen,d.h., da wo der KUnde aufzufinden ist, dann dafür den richtigen Kommunikationskanal nutzen.

    Finde ich meine Kunden oder besser Communities auf FB, dann sollten dafür Massnahmen entwickelt werden. Dasselbe gilt auch für Twitter o.ä.

    Nebenbei – ich kann mich erinnern, dass vor gut zehn Jahren, die Meinung über das Internet sehr gering war was das e-commerce betrifft. Es zeigt Veränderungen sind nicht Jedermanns Sache.

  5. Meiner Meinung nach befinden wir uns im Moment im Wandel: Gerade die Leute die nicht mit dem Netz aufgewachsen sind, sind froh wenn sie überhaupt online einkaufen können. Davon gibt es noch viele. Die neue Generation die mit dem Netz aufwächst nutzt auch die Social Commerce Funktionalitäten. Man sollte also beides beachten und nicht alles nur auf Social Commerce aufsetzen – aber es auch nicht ausser Acht lassen.

  6. Schöner aufschlußreicher Artikel. Hierzu muss ich Roland, Recht geben momentan dürften wir eine Wandlungsphase durchmachen. Ich denke jedoch das sich Social Commerce durchsetzen wird. Derweil bleibt eine Mischung aus Beidem eine ganz gute Wahl.

  7. Hallo zusammen,
    ich bin fest überzeugt, dass es so oder ähnlich kommen wird. Wir von demandR waren da definitiv ein paar Jahre zu früh dran, vor allem bei dem deutschen Endkunden.

  8. @Frank
    In diesem Punkt muss ich dir widersprechen. Eine Verkaufsstrategie, die AUCH auf Twitter und Co. setzt, ist alles andere als ein Armutszeugnis für das Produkt. Ganz im Gegenteil, diese Dienste eignen sich, das kommt natürlich auf das Produkt an, ausgezeichnet als Verkaufskanal. Das ist alles natürlich noch sehr unausgegoren und wir sehen anhand von Experimenten (wie sie Dell gemacht hat), dass wir hier trotz Hype noch vor Rätseln und verschlossenen Toren stehen. Hype reicht eben nicht. Und wie es Twitter in einem Jahr gehen wird, wenn Facebook oder Friendfeed nachgerüstet haben, werden wir noch sehen.

    Ja der letzte Satz kommt so daher, allerdings steht er nicht für sich alleine, sondern hat etwas Detail vorangeschoben. Wenn ich Wolle oder sowas verkaufe, dann ja, dann kann ich mir möglicherweise einen Blog sparen. Und welcher Shop versteht seine Kunden? Ich sehe es derzeit an den großen Versandhändlern, dass sie es nicht tun… Ich finde die Ansicht von Armin diesbezüglich ergänzend auch ganz gut.

    @Denis
    Ein SHop, der ein ganz bestimmtes Nischenprodukt anbietet, der wird sicherlich keine Probleme bekommen, wenn er die EInbindung von SN verweigert, soweit würde ich noch mitgehen. Aber die Frage lautet, würde er sich verbessern, wenn er es dennoch tut? Die Frage ist sicherlich schwer zu beantworten, dennoch tendiere ich zu ja. Das ist alles sehr produktabhängig, möchte ich meinen. Und ja, du hast recht, wenn du sagst, dass Kunden nicht immer in der Lage sind, ihre Wünsche zu artikulieren. Aber was spricht denn dann gegen eine Vernetzung, gegen ein Zuhören. Denke ich mal vier Jahre zurück, so bestand der Hauptteil der Netznutzung aus E-mail-Checken, Nachrichtenlesen, stummes Onlineshoppen, Wikipedia und und und. Seitdem ist erdbebenartig die Kommunikation ins Netz eingebrochen und hat das, was mit dem Begriff Web-2.0 ausmacht, erst zu einer Masse gebracht (seitdem ist dieser Begriff übrigens verpöhnt). Davor war alles eher ein theoretisches Rumdümpeln, das einem kleineren Kreis verständlich war. Erst durch diese SN hat sich das geändert. Der Kunde ist noch nicht soweit? Das kann man sehen wie man will. Er hat in vier Jahren das gelernt, was eine ganze Branche in mehr als einem Jahrzehnt sich mühsam erschlossen hat. Wir werden schon sehr bald überholt werden vom Denken des Kunden. Denke ich persönlich.

  9. @Roland
    Ein ganz wichtiger Punkt, den du da ansprichst. Was das im Endeffekt bedeutet, sehen wir im Untergang des Kataloges. Ich würde Generationen ohne Netzaufwuchs nicht die Fähigkeit absprechen, sich im Netz bewegen zu können. Denn glücklicherweise gibt es noch den Handel im Geschäft. Das Netz jedoch hat den Spielraum sich stetig zu beschleunigen. Ich schätze ein gesunder Kompromiss ist es, dass man einen Shop, trotz Social Commerce Funktionalitäten, übersichtlich und leicht verständlich hält. Wichtig ist für solche Generationen vielleicht ein paar Produktbilder etc. Und der Kaufvorgang muss unkompliziert sein. Ansonsten sind Social Commerce-Funktionen nicht so kryptisch, wie man es sich vorstellt.

    Die Wandlungsphase ist präsent, da hast du völlig recht (habe ich gar nicht bedacht beim Schreiben). Solange ist ein gesunder Mix, das sieht Alphablogger auch so, die richtige Wahl.

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