Onlinehandel: Effektivität oder Effizienz

Seit der Pressemitteilung des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (bvh) am 28. Juli, Handelskraft hat davon berichtet, in welcher die Zwischenergebnisse der bvh-Verbraucherstudie Distanzhandel in Deutschland 2009 kommentiert wurden, ist eine wirklich äußerst fruchtbare Diskussion in Expertenkreisen entstanden. Insbesondere Akteuren im Online- und Versandhandel, ist die Verfolgung dieser sehr klugen Diskussionen und Gedankenexperimenten nahe zu legen.

In einer scharfsinnigen Analyse beschrieb Jochen Krisch von Exciting Commerce die Bewegungen und Richtungen des Strukturwandels im gesamten Handel. Jenes hat auch das SinnerSchrader-Branchenblog Fischmarkt aufgegriffen und auf den ausstehenden „1. Europäischen Handelskongress“ in Berlin verwiesen, inklusive inhaltlicher Fragestellungen, die dort zur Debatte stehen werden.

 Erwartete Entwicklung des elektronischen Handels  2010

Ende 2009 wird der E-Commerce-Anteil im Versandhandel hierzulande das erste Mal die 50-Prozentmarke knacken (Prognose: 53 Prozent). Dass sich Onlinehändler allerdings nicht als Versandhändler sehen sollen, E-Commerce sei weit mehr als das, thematisierte Krisch sehr schlüssig. Der Onlinehandel verändere die Strukturen im klassischen Handel von Grund auf:

» Und Strukturwandel heißt in diesem Fall tatsächlich, dass sich die bekannten Strukturen verändern. Es sind nicht bloß graduelle Marktanteilsverschiebungen […]. Der Markt richtet sich komplett neu aus und zwar in noch nicht bekannter Richtung. «

Krisch spaltet die Begrifflichkeiten „Onlinehandel“ und „Versandhandel“ nicht nur klar voneinander ab, er ermahnt den Leser damit gleichzeitig, Dinge falsch zu verstehen.

In einem Kommentar dazu, schrieb ein Besucher:

» All diese Definitionen zerteilen künstlich die Welt in kleinere Stücke und hinterher muss man sich dann fragen, wie diese Stücke nun zusammen passen […], anstatt gleich das große Ganze zu sehen… Alles im Allen also ein rein sprachliches Problem, welches wir uns künstlich auferlegen und von dem wir uns all zu oft blenden lassen – meist sogar fahrlässig Entscheidungen daraus ableiten. «

Etwas von dem sich Onlinehändler definitiv blenden lassen, ist das Missverständnis, ja gar die Verwechslung von Effektivität und Effizienz im Bezug auf den Blick in die Zukunft. Wollen Onlinehändler effektiv oder effizient arbeiten? Unter dieser Frage wird sich die Zukunft des Onlinehandels aufbauen. Effektiv ist, die richtigen Dinge zu tun. Effizient ist, die Dinge richtig zu tun.

Den Unterschied zu verstehen, in der Praxis spürbar zu machen, ist Teil der Lösung im Wirrwarr, in dem sich der Onlinehandel befindet.

Im Großen und Ganzen ist der E-Commerce in einer ähnlich verwirrten Lage, wie der klassische Versandhandel: Es ist turbulent geworden. Allerdings geht es für den Onlinehandel nach oben. Wenigstens diese Richtung ist gewiss. Verständnisprobleme sind eben nicht immer sprachlicher Natur.

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3 Reaktionen zu “Onlinehandel: Effektivität oder Effizienz”

  1. Wichtiger Punkt mit der Entscheidung zwischen Effektivität und Effizienz!
    Bin ich eher ein Vorreiter (Effektivität) oder laufe ich hinterher (Effizienz).
    Effektivität ist immer wichtiger als Effizienz – Man kann auch das Falsche optimieren…
    Unsere Wirtschaft und insbes. Berater sind i.R. auf Effizienz getrimmt und dann wundert man sich, dass man einerseits dem Markt hinterher läuft und andereseits sich mitten (durch von der Gleichgewichtsthworie geblendet) im Preiswettbewerb befindet.
    Das hängt natürlich auch mit der Ausbildung an den deutschen Hochschulen zusammen, die meist die Neoklassik als Leittheorie haben.
    Das Problem: In der Neoklassik (Gleichgewichtstheorie) gibt es keine Entwicklung oder Innovationen (bzw. Effektivität). Dies sind böse Störenfriede, da sie ja die Märkte aus dem Gleichgewicht bringen und nicht dazu beitragen, das Gleichgewicht herzustellen. Was dort zählt ist Effizienz und Management/Verwaltung. Ergebnis: Wachstum ohne Entwicklung. Voller Preiswettbewerb (wer kann’s am Besten/billigsten) – Ausbeutung und Abwanderung in Billiglohnländer sind die logische Folge.
    Kluge Unternehmer setzen auf Effektivität. Wenn die ersten anfangen zu kopieren und optimieren (Effizienz) sind sie schon wieder auf dem Sprung zur nächsten Evolutions-/Entwicklungsstufe (Effektivität) und definieren den Markt ( und greifen die höchsten Marken ab) anstatt diesem hinterherzulaufen.

  2. …während die einen noch ihr Online-Marketing und eCommerce optimieren und Agenturen nachverhandeln und drücken (Effizienz), sind andere schon beim nächsten Schritt und definieren/gestalten den nächsten Markt (Effektivität)…

  3. @Hagen
    Ein wirklich sehr schlüssiger und kluger Kommentar, Hagen.

    Es stellt sich natürlich die Frage, warum dem so ist?! Das liegt teilweise auch unserer (europäischen) Diskussions- und Entscheidungskultur, was ich jetzt aber sehr allgemein formuliert habe. Unternehmer sind hierzulande auch längst nicht so flüssig wie außerhalb, was sicher auch ein Faktor ist, weshalb sich der Mut zur Innovation und Erprobung neuer Geschäftsmodelle noch nicht durchgesetzt hat.

    Ein weiterer Punkt ist, dass die Modelle, die hierzulande auf den Markt geschmissen werden, ganz anders beim Kunden aufgegriffen werden. Das heißt, Kunden reagieren hier anders als beispielsweise in den USA.

    Nicht nur die Unternehmer üben sich hierzulande weniger in Mut. Auch die Kunden. Bzw. die Kunden nehmen Modelle anders auf, als in den USA. Man orientiert sich am Fortschritt. Der Fortschritt funktioniert in Deutschland, aber er kommt größtenteils nicht aus Deutschland. Amerika stand vor ähnlichen Problemen, die liegen aber ein paar Jahre zurück. Durch die in den letzten Jahren gewonnen Erfahrungen kann Deutschland das auch ausgleichen. Und ich denke, dem sind sich viele deutsche Unternehmer bereits bewusst.