Food.de-Gründer Karsten Schaal im Interview: Leiden deutsche VCs unter German Angst?

Grafik:Jessica Spengler
Grafik:Jessica Spengler

Sinkende Finanzierungsanfragen aus dem E-Commerce-Bereich ließen Capnamic Venture letzten Monat das Ende des E-Commerce-Hypes ausrufen. Sind tatsächlich alle Nischen restlos gefüllt und wo bleiben die innovativen Ideen in der Startup-Szene? Projekt Collins zeigte mit ABOUT YOU, dass da noch Platz nach oben ist. Auch Rocket Internet sollte man beobachten, wenn es um verheißungsvolle Ideen geht.

Besonders der Online-Lebensmittelhandel scheint gerade Samwers favorisierter Spielplatz zu sein. Wir haben mit Karsten Schaal, dem Gründer und Geschäftsführer der food direkt GmbH, gesprochen. Auf seiner Plattform food.de verkauft sein Team über 10.000 Artikel zu Supermarktpreisen. Neben der aktuellen Lage im Online-Lebensmittelhandel, wollten wir auch wissen, was er von der Risikobereitschaft deutscher VCs hält.

Danke Karsten, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Wie hat sich der Online-Lebensmittelhandel deiner Meinung nach seitdem verändert?

Karsten Schaal von food.de
Karsten Schaal von food.de

Anfangs fragte noch jeder Journalist ob Lebensmittel im Netz überhaupt gehen, später kamen erste ernsthafte Tests und Vergleiche. Irgendwann sprachen dann die ersten vom neuen Boom-Thema. Bezeichnenderweise erst, als man damit schon definitiv nicht mehr falsch liegen konnte. So entdecken inzwischen immer mehr Nutzer das neue Einkaufen. In Zahlen bedeutet es heute ein jährliches organisches Wachstum des Marktes von 30 Prozent.

„Ersatzartikel werden zum Problem für den Online-Lebensmittelhandel“ – so der Titel eines t3n-Artikels. Wie gehst du mit der Ersatzartikel-Problematik bei food.de um?

Ersatzartikel, vollumfänglicher Service, alles richtig machen. Wie wäre es einmal mit eins richtig machen und das auch garantieren. Apple bietet ein Handy und das funktioniert bekanntermaßen. Weil jeder den Service so nutzen muss wie er geboten wird. Wer damit nicht glücklich wird, muss sich einen anderen Anbieter suchen.
Das klingt härter als es ist, in unserem Fall wird die Dienstleistung ständig angepasst und verbessert. Bestellt ein Kunde Ware, soll er sie bekommen. Geht doch mal etwas schief, muss sich dafür noch ein Verhalten etablieren. Bisher hat keiner die goldene Lösung gefunden.

Mit Bonativo und EatFirst hat Rocket Internet die Bühne betreten. Dazu kommt auch das seit 2011 unterstützte Startup HelloFresh. Ist die Zeit der Konsolidierung im Online-Lebensmittelhandel gekommen?

Konsolidierung ist, wenn der Markt gesättigt ist. Das ist noch lange nicht in Sicht. Jedes der genannten Startups bedient eine recht spitze Zielgruppe. Und jedes sorgt für mehr Online-Akzeptanz. Konsolidiert wird, wenn der Kuchen verteilt ist.

Was muss ein Startup mitbringen, um heute noch in der Online-Lebensmittel- und Delivery-Branche erfolgreich zu sein?

Geld oder eine gute Nische. Inzwischen geht es nur noch darum wer am längsten den Wachstumshahn aufgedreht lassen kann, oder ein Modell zum weitersagen entwickeln konnte. Für neue Mitspieler wird es immer schwerer, den Vorsprung einzuholen. Bei manchen Geschäftsmodellen muss der junge Online-Lebensmittelhändler sogar schon aufpassen, dass er nicht selber der Disruption zum Opfer fällt. Ich gehe jedoch davon aus, dass der Markt viele verschiedene Modelle parallel zum Erfolg führt.

Du hast Erfahrung, wenn es darum geht VCs vom eigenen Unternehmen zu überzeugen. Sind deutsche VCs zu vorsichtig?

food.de logoDeutlicher kann man es nicht fragen. Da ist schon was Wahres dran. Von dem einen Investor hört man „das kann nicht gut sein, dann würde das der Olli machen“, vom nächsten „die Samwers machen doch was ähnliches, da warten wir erstmal ab“. Was soll man davon halten? Trotzdem haben wir tolle Investoren bekommen, die früh an unsere Idee geglaubt haben und so gibt’s auch ein bissel Hoffnung.

Dass in den USA eine andere Startup-Kultur herrscht, ist offensichtlich. Was hältst du davon, dass ein Unternehmen wie jet.com schon vor Launch 220 Millionen US-Dollar sammeln konnte?

Warum Jet.com eine solche Finanzierungsrunde erhalten hat, ist ein anderes Blatt. Erstens ist es eine Neuauflage von einem bekannten Gründerteam und zweitens eine Wette, ob man möglichst schnell einen Gegenspieler zu Amazon aufbauen kann, bevor es zu spät ist.

Das Prinzip des Clubshoppings, wie jet.com es umsetzt, ist nicht neu. Nicht immer ist der richtige Zeitpunkt für eine Idee gekommen, eine Erfahrung, die du auch mit dem Online-Lebensmittelhandel gemacht hast. Hättest du vor 15 Jahren gedacht, dass du heute (wieder) in diesem E-Commerce-Sektor tätig bist?

Ich wusste vor 15 Jahren schon, dass es definitiv einen großen Markt für Online-Lebensmittelhandel geben wird. Dass er sich so lange Zeit lässt, hätte ich aber nicht gedacht. In fast jedem europäischen Land haben sich in der Zwischenzeit große Anbieter etabliert, nur wir diskutieren noch in der Presse ob das überhaupt geht. Ein deutsches Phänomen, das im Ausland mit „German Angst“ beschrieben wird.

Wir bedanken uns bei dir für das Interview und wünschen food.de weiterhin viel Erfolg im hartumkämpften Online-Lebensmittelmarkt!

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