Amazon Fresh kann den deutschen Online-Lebensmittel-Markt antreiben, oder? [5 Lesetipps]

© Eisenhans / Fotolia.com
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In England und sogar in Frankreich ist der Onlinekauf von Lebensmitteln längst nicht mehr nur ein Trend. Viele junge Leute bevorzugen es, ihre Einkaufskörbe einfach per Klick mit Obst, Gemüse, Milch, Bier und sogar mit Fleisch und Fisch zu füllen. Im Gegensatz dazu steckt der Lebensmittel-Onlinehandel in Deutschland bekanntlich noch in den Kinderschuhen. Gänzlich unbewegt ist er allerdings auch nicht: Rewe, Edeka, Lidl und Aldi müssen sich bald dem gefürchteten Konkurrenten Amazon Fresh stellen. Und alle sind gespannt, welche Folgen der baldige Markteintritt haben wird. Wird er sich entscheidend auf den deutschen E-Food-Markt auswirken?

Traditionelle Supermärkte sind in Führung.

Laut einer Studie des Branchenverbandes Bitkom nutzen 43 Prozent der deutschen Shopper, die Lebensmittel online einkaufen, die Onlineshops stationärer Supermärkte wie Rewe.de oder bringmeister.de. Am zweithäufigsten (38 Prozent) wird bei reinen Online-Lebensmittelhändlern mit einer breiten Produktauswahl bestellt, gefolgt von Onlinehändlern, die sich auf bestimmte Warengruppen spezialisiert haben (18 Prozent).

Vor zwei Jahren, während ich noch in England lebte, kaufte ich meine Lebensmittel immer online, weil mir schlicht die Zeit fehlte, zum Supermarkt zu gehen. Ich nutzte dafür den Onlineshop eines großen Supermarkts. Meistens bestellte ich am Wochenende und normalerweise kam die Lieferung montags bei mir zu Hause an. Die Körbe enthielten auch frische Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Über Lieferkosten musste ich mir keine Gedanken machen, da der Mindestbestellwert für eine kostenfreie Lieferung damals in etwa so hoch war wie das, was ich normalerweise ausgab. Es war einfach und bequem.

Warum Deutsche Lebensmittel nicht online kaufen

In Deutschland habe ich den Online-Service noch nicht genutzt und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass ich es tun werde. In einem Radius von 1,5 Kilometern um meinen Wohnort herum befinden sich drei oder vier Supermärkte. Ich weiß die hohe Filialdichte wirklich zu schätzen. Deshalb glaube ich auch, dass genau diese – neben längeren Öffnungszeiten – auch einer der Gründe sein könnte, weshalb der Online-Lebensmittelmarkt in Deutschland nur schwer in Gang kommt. Bitkom führt außerdem folgende Gründe dafür an, dass die Deutschen Lebensmittel nicht online kaufen:

Lebensmittel

Der deutsche E-Food-Markt macht nur 0,8 Prozent des gesamten Lebensmittelmarkts aus (unter Berücksichtigung von Lebensmitteln, Wein und Feinkost). Trotzdem sehen traditionelle Händler hier ein großes Potenzial.

Was sind die größten Herausforderungen?

Es ist wichtig, die Versand- und Vertriebskosten zu reduzieren und die Gewinnspanne zu erhöhen. Milch, Bananen oder Brot müssen jede Woche eingekauft werden und deshalb besteht die Herausforderung darin, die Lieferressourcen zu koordinieren und zu optimieren.

In diesem Sinne könnte Amazon Fresh einen klaren Vorteil haben. Seit 2015 versendet Amazon Pantry in Deutschland haltbare Lebensmittel. Für 4,99 Euro pro Box liefert Amazon seinen Prime-Kunden Waren des täglichen Bedarfs nach Hause. Vor zwei Monaten folgte dann der nächste Schritt. Der Marktplatz-Gigant bietet seither in 14 großen Städten Same-Day-Delivery an. Außerdem kooperiert Amazon nicht mehr mit großen Logistikunternehmen, sondern mit mittelgroßen Kurierdiensten und baut so ein wahres Logistiknetzwerk auf, über das auch Amazon Fresh eingeführt werden könnte.

Im Gegensatz dazu müssen andere Player hart kalkulieren, um weiterhin schwarze Zahlen zu schreiben, weil sie hauptsächlich auf große Logistikunternehmen wie DHL setzen. Auch die Kosten für Styroporboxen, die die Temperatur halten, sind nicht gerade gering.

© lafaiet / Fotolia.com
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Ein weiterer wichtiger Aspekt besteht darin, sich an die Kundenbedürfnisse anzupassen, die Kundenbindung zu stärken und ein Curated-Shopping-Erlebnis zu bieten, um potenzielle Neukunden zu werben. 91 Prozent der deutschen Onlineshopper sind mit dem Onlinekauf sehr zufrieden oder zufrieden, also sollten Händler diese positiven Zahlen zu ihrem Vorteil nutzen und damit beginnen, die Hindernisse zu überwinden:
 

  • Händler können exklusive Rabatte für die Nutzung des Online-Angebots gewähren, bis zu einem wettbewerbsfähigen Preis kostenfreien Versand anbieten und so insgesamt das Cross-Channel-Erlebnis vorantreiben.
  • 46 Prozent der Verbraucher teilen und kommentieren Food-Bilder im Netz, also haben große traditionelle Player die Möglichkeit, ihre Kunden direkt über ihre Social-Media-Profile anzusprechen. Instagram shoppingfähig zu machen und über Pinterest eine Community von Foodies aufzubauen ist ein Vorteil des E-Food-Sektors.

Angesichts der besonderen Beschaffenheit des deutschen Marktes könnte sich eventuell im Bereich der spezialisierten Anbieter eine sehr wettbewerbsfähige Nische entwickeln: Wein, Wurstwaren, Feinkost und vorbereitete Mahlzeiten. So hat HelloFresh beispielsweise ein sehr spezialisiertes Konzept. Was meint ihr? Wird Amazon Fresh den Markt antreiben? Werden die etablierten Player einen Schritt nach vorne wagen oder haben sie nichts zu befürchten?

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