Digitalisierung im Staat: Wie stark bestimmt Politik die Digitale Transformation? [Kommentar]

Grafik:Isabell Schulz
Grafik:Isabell Schulz

In der EU und vor allem in Deutschland ist 2017 „internettechnisch“ einiges los gewesen. Viele Gesetze versuchen nun, digitale Trends der letzten Jahre zu regulieren, einzudämmen oder gar weiterzutreiben. Das reicht von lizenzpflichtigen Let’s Playern bis hin zu einer staatlichen Finanzspritze für das „Deutsche Internet-Institut“. Zwar scheinen aktuelle Probleme weniger auf Unternehmen übertragbar zu sein, doch schaut man sich einzelne Streitpunkte genauer an, stellt sich die allumfassende Frage: Wer soll inwieweit Verantwortung in der Digitalisierung übernehmen?
 
So werden Gesetze auf den Weg gebracht, die die Autonomie des privaten Internetnutzers stärken, beispielsweise die gesetzlich verankerte Routerfreiheit. Auf der anderen Seite wird dem Internetnutzer die Verantwortung weggenommen und auf Unternehmen übertragen, beispielsweise wenn es um Hass-Kommentare auf Facebook geht. Nachdem man sich jahrelang an Killerspielen oder Raubkopien abgearbeitet hat, fängt die Politik nun ganz konkret an, Einfluss auf die Digitalisierung der Gesellschaft auszuüben… mit welchen Folgen?

Worum geht es?

Es geht nicht speziell um die Regierungs- bzw. Oppositionsarbeit der in den Parlamenten sitzenden Parteien. Daher bitte jegliche Ideologie abschütteln. Viel mehr ist ein reflektierter Rückblick auf die in Europa und in Deutschland erlassenen Gesetze, möglichen Änderungen und auch auf die Gerüchteküche zu werfen. Also, was gibt’s Neues?:

PietSmiet: Das Streaming-Angebot der Let’s-Play-Gruppe PietSmiet soll lizenzpflichtig gemacht werden. Das trifft nicht nur die Zocker, sondern auch das Geschäftsmodell von Twitch.

Streaming? Illegal!: Kaum eine Tat befand sich solange in einer rechtlichen Grauzone wie das „illegale Streaming“ auf einschlägigen Seiten wie Kinox.to. Nun ist es offiziell verboten – Hallelujah!

Hetze im Netz: Facebook hat sich nun offen gegen den Gesetzesentwurf zum Umgang mit Hasskommentaren auf der eigenen Plattform gestellt. Fake News könnten die Raubkopien der 2010er-Jahre werden!

Deutsches Internet-Institut: In Berlin hat sich das Deutsche Internet-Institut gegründet. Ziel ist es, dass Deutschland (oder eher Berlin) zum „international führenden Zentrum der Digitalisierungsforschung“ wird.

Influencer Marketing: Marketing mit Personen, die sich auf Instagram gekonnt in Szene setzen? Ja, auch das ist schon lange ein Ding. Passend dazu gibt es Gerüchte über einen „Bundesverband Influencer Marketing“, dessen Daseinsberechtigung allerdings fraglich bleibt.

Das sind natürlich nur die aktuellen Schlager. Weitere diskussionswürdige Beiträge und Entwicklungen sind beispielsweise die Dauerdiskussion „Darf man eSports als richtigen Sport behandeln?“
oder wie geht es mit der elektronischen Gesundheitskarte auf Basis des E-Health-Gesetzes weiter – vor allem wenn man den „Ausversehen-Angriff“ auf die mit Windows XP arbeitende NHS miteinbezieht? Und warum tut Christian Lindner bei jedem Auftritt so, als würde er in der TV-Show „Die Höhle des Löwen“ ein super-hippes Berlin-Mitte-Produkt verkaufen wollen?

Unternehmen außen vor?

Zugegeben, die aufgezeigten „Hot Topics“ der letzten Wochen und Monaten bedienen hauptsächlich die Sorgen und Nöte von privaten Personen. Das könnte man meinen. Aber die eingangs gestellte Frage nach der Verantwortung während der Digitalisierung lässt sich anhand dieser Bewegungen in der Politik durchaus erahnen. Unangenehme Themen wie eine – auf den ersten Blick – scheinbare Einschränkung der freien Meinungsäußerung durch das Löschen von Kommentaren in sozialen Medien überlässt man dann doch lieber den Unternehmen. Facebook sieht das jedoch anders:

» „Der Rechtsstaat darf die eigenen Versäumnisse und die Verantwortung nicht auf private Unternehmen abwälzen. Die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen ist eine öffentliche Aufgabe, der sich der Staat nicht entziehen darf.“ «

Der Gesetzesentwurf dazu soll noch in diesem Sommer durch den Bundestag wandern. Ist aber auch ein schwieriges Thema. Egal auf welcher Seite man persönlich steht, zeigt es eine Einstellung dem Thema „Digitalisierung“ gegenüber, die für zukünftige Konflikte problematisch werden könnte. Beispielsweise wenn es um den Bereich Digital Health bzw. E-Health geht. Während die Smartphone-Abhängigkeit weltweit zunimmt, können deutsche Patienten die elektronische Patientenakte erstmal vergessen.

Zugriff auf die eigene Patientenakte – ähnlich wie der Zugriff auf das Konto via Online-Banking? Wird es erstmal nicht geben. Zu divers soll die Anzahl an möglichen Endgeräten der Patienten sein.

» „Die Geräte der Versicherten befinden sich in deren Besitz und sind kein Teil der Telematikinfrastruktur, was mit einer Verantwortung der Versicherten für Sicherheit, Datenschutz sowie den Betrieb dieser Geräte einhergeht.“ «

Zugang zu eigenen, persönlichen Daten? Gibt’s nicht, weil zu kompliziert. Befürworter dieses Zustands sehen sich im Hackangriff auf die britische NHS bestätigt. Schließlich mussten dort Patienten in andere Krankenhäuser gebracht werden, da kein Zugang mehr zu wichtigen Patientendaten bestand. Windows XP sei Dank…

Geschäftsmodelle, die sind sicher… nicht!

Während man bei Facebook eher passiv in die Thematik reingeht, sind andere Themenfelder viel aktiver von politischer Bewegung betroffen. Beispiel Streaming: Fernsehsender sind nicht mehr zufrieden, zu viele (werberelevante) Zuschauer wandern zu Netflix, Twitch oder YouTube. Zum Glück gibt es die Rundfunkanstalt, die beliebten Kanälen, wie PietSmiet auf Twitch, eine Lizenzpflicht unterstellt und das ganze mit einem Ultimatum untermauert.

Es geht nicht darum, dass ein Let’s Player getroffen wurde. Viel schlimmer ist die Signalwirkung, die an dieser Stelle von Twitch (*An Amazon Company) ausgeht. Demnach bräuchte jeder Streamer auf Twitch, der bestimmte Kriterien erfüllt, eine kostenpflichtige Rundfunklizenz. Smiet erklärt im Video weitere Folgen, wie beispielsweise das Vorhandensein eines Jugendschutzbeauftragten. Damit würde das Angebot auf Twitch auf einer Stufe – mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten – dem „Fernsehen“ gleichgestellt werden.

Nicht nur Twitch muss sich so Gedanken über das Geschäftsmodell machen. Auch andere Unternehmen sehen sich plötzlich von der digitalen Vorreiterrolle in die „Buh ihr seid böse“-Ecke gestellt, wie beispielsweise Uber oder Airbnb. Während gegen Uber die Taxi-Branche aufbegehrte, geht es bei Airbnb viel mehr um weiterhin bezahlbaren Wohnraum… oder um die Umsätze der Hotels? Da steckt man ja nicht drin. Fakt ist aber, dass auch das Zweckentfremdungsgesetz der positiven Weiterentwicklung von Airbnb keinen Abbruch getan hat. Denn das besagte Gesetz besitzt das ein oder andere Schlupfloch, ja, man fühlt sich fast wie in einer rechtlichen Grauzone – mal wieder.

Keine klare Strategie

Man könnte noch weitere Unternehmen anbringen, die in den letzten Monaten und Jahren Probleme mit einer teils kopflosen Strategie in digitalen Fragen zu tun hatten. All diese Beispiele zeigen, dass das Thema „Digitalisierung“ noch lange keine Routine ist. Das fängt bei Telekommunikationsanbietern an, die es nicht schaffen, zumindest 95 Prozent 24/7 lang eine stabile Internetverbindung anzubieten, und hört bei Rundfunklizenzen für Let’s Player auf.

Positiv könnte aber die zukünftige Forschung des Deutschen Internet-Instituts sein. Zumindest solange eigene Forschungsgebiete ausgerufen werden und man nicht die Trends der letzten Jahre versucht „nach zu analysieren“. So wäre eine Studie über das „Social-Media-Verhalten bei Teenagern“ vergeudete Zeit – tausend Mal gesehen/gelesen/gehört. Das traurige Fazit? Auch im Jahr 2017 behandelt man das Internet wie eine heiße Kartoffel, es gibt keine klare Strategie beim Umgang mit neuen Themen und allgemein scheint man alles an alte Strukturen anpassen zu wollen. Zeit erwachsen zu werden, andere sind uns da schon voraus.

So schwer kann das doch nicht sein?

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