Ist die Blockchain das Ende der Produktfälschungen auf Marktplätzen? [5 Lesetipps]

Grafik:thisisbossi
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Einer der meistgelesenen Artikel auf Handelskraft ist bis heute „Fälschungen im E-Commerce: Warum verschickt Amazon so viele Plagiate?“. Auch drei Jahre nach der Veröffentlichung ist das Thema hochaktuell. Das war während des ECD18, vergangenen Donnerstag in München, spür- und hörbar.

Ich habe meinen Besuch auf der re:publica18 gecancelt, und stattdessen das ehrenvolle Vergnügen genossen, neben Dr. Armand Farsi und Alexander Graf zwei Panel auf der Hauptbühne des ECD zu moderieren. Im Fokus standen im „Brand Cockpit 2020“ die Zukunft der Marken auf Plattformen sowie Blockchain und Entrepreneurship im Panel „The Customers of Tomorrow“.

Grund genug nach dem Klassentreffen der Plattformen und Plattformmarken auf den aktuellen Zustand des Marktplatzgeschäftes zu blicken und einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Wholesale und Retail kämpfen um Kundendaten

Mit knapp über 500 Teilnehmern war der ECD 2018 von Tradebyte in der Wappenhalle München erneut ausverkauft. Der Austausch zwischen Plattformen (Zalando, Real, idealo, Otto und vielen mehr) Retailern und Marken scheint dringend notwendig. Von mehreren Gästen hörte man das Fazit: „Hier treffe ich an einem Tag die Ansprechpartner, deren Koordination sonst das ganze Jahr braucht.“

Die Diagnose ist wenig überraschend. Die Plattformen wachsen und versuchen immer mehr Händler und Marken von sich zu überzeugen, anzubinden und einen profitablen Mehrwert zu bieten. Gleichzeitig stehen viele traditionelle Wholesale-Fashionmarken vor einem enormen Wandel. Sie müssen immer häufiger selbst zum Multi-Channel-Retailer werden, der Offline- und Onlinekanäle klug steuert. Flagship-Store, digitaler contentstarker Brandshop und Marktplätze erfordern neue KPIs und setzen digitales Verständnis der Mitarbeiter voraus.

Doch auch wenn der Wille zur kundenfokussierten Marke vorhanden ist, scheitern neue Initiativen an mangelnden Informationen. Das immer wieder beschworene Omnichannel-Szenario, wo man Kunden kanalsensibel und nach passenden Vorlieben die richtigen Angebote unterbreitet ist laut Aussage der Brandcockpit-2020-Panelteilnehmer von Tamaris (Nico Gold), Odlo (Christian Gut) und PVH (Andreas Rödl) enorm aufwändig oder gar nicht möglich.

Insbesondere die Plattformen, wie Zalando mit Customer Insight API oder Otto mit Otto-Connect, würden erst in naher Zukunft beginnen ihr Wissen für die Marken nutzbar zu machen. Aktuell brauche man eine Armada an Tools, Mitarbeitern und Hypothesen, um Verkaufszahlen zu prognostizieren und die Kanäle entsprechend mit Ware zu versorgen. Da gewinnt häufig weiterhin der Key-Accounter, der als erster die Hand hebt, anstatt die Ware in den Kanal mit dem höchsten ROI zu leiten. Vom eigenen Brand-Cockpit erwartet man in Zukunft transparente Plattformen und zentrale Datenerfassung alle Kanäle.

Es ist alles halb so wild

Trotz des immensen Gesprächsbedarfs der ECD-Teilnehmer, spürte man jedoch auch, dass die Lage nicht so dramatisch ist. Die Umsätze der Wholesale-Anbieter sind weiterhin üppig genug, um einen anständigen Deckungsbeitrag zu leisten. Einhellig waren sich Podiumsteilnehmer einig, dass Plattformen und Marken sich gegenseitig bräuchten, eine Kooperation auf Augenhöhe also unvermeidbar ist.

Die Fehler, die Marken im Plattformbusiness und in der Veränderung ihrer Filialstrategie begingen, seien daher geschäftlich handwerklicher Natur. Es ergäbe keinen Sinn auf jeder Plattform zu sein. Es ergäbe auch keinen Sinn grundsätzlich alle Produkte auch auf (allen) Plattformen anzubieten. Die Plattform müsse zur Marke passen, ebenso, wie das Sortiment. Hier sollten Brands mutiger werden unternehmerisch abgrenzende Entscheidungen zu treffen.

Eine andere gute Nachricht lautete, dass Kanalkannibalisierung und Reichweiteneinbußen durch Plattformen kaum haltbare Thesen sind. Der Wechsel aus dem Brandshop zum Marktplatz betrage nur fünf Prozent. Der Einstieg vom Marktplatz in die eigene Markenwelt hingegen fast 50 Prozent. Für Multi-Plattform-Strategien zählt Diversität und ein klares Konzept. Dann erhalten Marken das Beste beider Welten.

Apropos Konzept – neue Strategien mit neuen Mitarbeitern bei ship-from-store

Ein Digital-Evergreen bleibt in der Debatte um Multi-Channel-Strategien auch weiterhin die Kombination von Offline- und Onlinekanal. Wie können Filiale und Shop verknüpft werden? Lohnt sich click&collect? Wie realisiert man ship-from-store und return-to-store?

Insbesondere Brian Davis von Adidas hatte hier eine klare Position. Die Kombination von Filiale und Webkanal ist Pflicht. Jeder, wenn auch insgesamt wenige, Kunde, der diesen Service verlangt und nicht erhält, ist verloren. Man könne ihm die Unmöglichkeit der Rückgabe oder Zustellung bei Verfügbarkeit im nächsten Laden einfach nicht erklären.

Wenn man den Zusatzservice anbieten „muss“, stellt sich die Frage der Umsetzung. Klar, so Davis, lässt sich technisch auch das Problem der stock-accuracy – also der tatsächlichen Warenverfügbarkeit – lösen. Das ist, beispielsweise mit RFID, jedoch sehr teuer. Ein besserer Weg sei seiner Erfahrung das eigene Personal. Dabei verriet er, dass man nicht blind Filialmitarbeiter mit picking & packing der Pakete beauftragen dürfe. Nicht jeder Berater im Shop ist der ideale Warenwirtschafter und Paketpacker. Hier müsse umgedacht und Personal entsprechend des neuen Skillsets eingesetzt werden. Multi-Channel mit digitalen Tools muss von den Mitarbeitern gelebt werden!

Die Revolution im E-Commerce heißt Blockchain

Klar, der ECD ist eine hands-on-Veranstaltung. Herausforderungen sollen konkret gelöst werden. Doch, eine gute Konferenz zeichnet sich auch immer durch den weiten Blick nach vorn aus. Dieser Blick hieß in München „The Consumers of Tomorrow“. Auf dem Panel sprach ich mit Melanie Mohr, CEO und Gründerin der Shopping App für Teenager YEAY und Ryan David Mullins, verantwortlich für digital stratetegy and business development bei Adidas über die Generation Z, Entrepreneurship und die Blockchain.

Hier zeigte sich, dass die meisten Anwesenden zwei blinde Flecken haben. Sowohl, wie die kommende Generation tickt, als auch kommende technologische Revolutionen. YEAY-CEO Melanie Mohr begründete den Erfolg der App in erster Linie mit der Unterstützung der Nutzer. Man habe sehr früh ein Teenage Entrepreneur Advisory Board eingerichtet und in kurzen Sprints abgefragt und entwickelt, was die potentiellen Nutzer verlangt haben. Sie zeigte damit eindrucksvoll, dass die Entwicklung den Nutzer nicht nur durch Lippenbekenntnisse einbeziehen muss.

Eine Folge daraus ist, die Entwicklung des WOM-token. Dieser, einer Kryptowährung ähnliche, Token ermöglicht es den Nutzen für ihre Produktempfehlungen (WOM = word of mouth – Mundpropaganda) belohnt zu werden. Nach dem Motto „We want Coins, not Points.“ wollen die Nutzer ihren Anteil vom Umsatz der Marken, die große Werbebudgets in Influencer und E-Mail-Marketing investieren. Über die Blockchain und smart contracts können Marken und Promoter direkte Beziehungen eingehen, bei denen es nur im Fall einer tatsächlichen Conversion zur Transaktion kommt.

Auch Ryan David Mullins experimentiert im Adidas-Kontext mit Blockchain-Innovationen. Insbesondere Produktfälschungen von Sondereditionen, die schnell für mehrere zehntausend Euro auf Auktionsplattformen landen, aber auch generellen Fälschungen auf Plattformen, könne durch die Transparenz der Blockchain entgegengewirkt werden.

Buffer overflow beim ECD 2018

Wegen der erstaunten Gesichter der Teilnehmer und dem Ende des Panels konnte ich über weitere „e-Commerce-disrupting Potentials“ der Blockchain nur nach dem Panel mit beiden Speakern sprechen. Dazu folgen in Zukunft weitere Artikel. Vesprochen!

Ebenfalls keine Zeit hatte ich in diesem Jahr die parallel zu den Panels stattfindenden Workshops und One-to-One-Meetings zu besuchen. Das Angebot ist für einen Tag einfach zu groß. Sicher eine Empfehlung ECD19 nächstes Jahr. Ich bin gespannt, was die Fashion- und Plattformwelt dann bewegt und welche Ideen und Best-practices im Fokus stehen werden. Wem das an Input nicht reicht, dem helfen sicher unsere aktuellen Lesetipps.

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