Wie hat man Social Commerce zu verstehen (2)?

Es ist schon allerhand passiert auf E-Commerce-Webseiten, jedoch begegnen wir nur allzu oft digitalen Verkaufsregalen, die man aus dem Einzelnhandel kennt oder eben statische Produktkataloge. Warum? Eine Erklärung und damit eine einhergehende Gegenwartsanalyse lieferte vor kurzem Matthias Schrader, CEO von SinnerSchrader, auf dem Social Commerce Forum 2009.

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Die Ausführungen Schraders zum ersten Trend („Renaissance im E-Commerce“), sind besonders interessant: Nachdem erste Konzepte („[…] aufgrund fehlender Masse bei den Kunden im Netz […]“) zu Zeiten der New Economy scheiterten (heute jedoch wieder ausgepackt werden) und bis 2006 so gut wie vom Markt verschwunden waren, befinden wir uns nun wieder in einer Investitions- und Experimentierphase, in der man zögerlich Mut zeigt. Das gilt für bestehende, verschwundene und einige neue Anbieter in diesem Segment.

Die Anfänge sehen standardmäßig so aus, dass man für den Kunden unten Platz einrichtet um Kommentare, Bewertungen oder Rezensionen schreiben zu können.

Diese standardmäßige Aufteilung sagt „Hier sind unsere Produkte, such dir was aus und drück den Kaufen-Button. Gerne darfst du dich unten drunter über alles Mögliche mit anderen unterhalten.“

Unter diesen Umständen hat sich noch nicht viel geändert, wenn ich den sterbenden Katalog als Vergleich heranzitiere, außer eben verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten. Die Erwartung an interaktiven Erfahrungen beim Einkaufen ist noch sehr rudimentär und steht beim absoluten Großteil der deutschen Onlineshops noch weit hinter dem gängigen Kundenservice/Kundensupport, der einen Dialog nach dem Einkaufen für den Kunden anbietet: „Haben Sie ein Problem mit ihrer Bestellung, dann bitte hier entlang.“ Oder aber man holt sich Rat in einem shopeigenen Forum
Letzteres funktionierte in der Vergangenheit und auch jetzt noch, allerdings ändert sich jenes mit steigenden Bedürfnis und Erwartungen (Quelle: Studie „E-Commerce in Deutschland – privates Konsumverhalten im Online-Shopping“):

  • 72 Prozent der Befragten (obig verlinkte Studie mit mehr als 1000 Teilnehmern) empfinden das Kauferlebnis im Bereich Online-Shopping als unspektakulär und langweilig.
  • 56 Prozent der Befragten wünschen sich ein Einkaufserlebnis, dessen Fokus mehr auf Entertainment liegt.
  • 45 Prozent der Nutzer vermissen eine interaktive Möglichkeit in das Einkaufsgeschehen einzugreifen.
  • 68 Prozent sind sofort bereit, andere Portale mit höherem Spaßfaktor beim Online-Shopping aufzusuchen und dem bisher besuchten den Rücken zu kehren.

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[Grafik und Impuls: jeremymeyers.com]

Dass sich der E-Commerce an neuen Kanälen wie Twitter noch (und auch in naher Zukunft) die Zähne ausbeißt und Online-Marketeers Kopfzerbrechen bereitet, ist da nur das kleinere Übel. Allerdings sind diese Versuche vorteilhaft, denn gerade auf Plattformen wie Twitter lernt man, dass ein neues kommunikatives Modell Fuß fasst:

Statt B2C erleben wir ein gefühltes „BwithC“, das Kommunikation gleichwertig strukturiert. (Angefacht durch Facebook, Twitter und so weiter.)

Der E-Commerce/Social Commerce steht damit vor der gewaltigen Gelegenheit Geschmack, Mitwirkung und Persönlichkeit der Kunden in sich zu integrieren. Das bedeutet eben auch, dass der Kunde an das Ende des Design-Prozesses und der User-Experience gehört.

Jeremy Meyers bringt dazu ein wirklich fantastisches Beispiel:

Wir kennen ja diese postkartenähnlichen Produktregistrierungs-Karten, die z.B. einem neuen Drucker oder Fernseher beiliegen. Haben diese Karten irgendeinen Wert für uns, wenn wir diese ausfüllen? „Selten“ wäre die Untertreibung des noch überaus jungen Jahrhunderts. Vielleicht könnte man jene Registrierungskarten derart ändern, sodass man dem Kunden eine eindeutige ID anbieten kann, die man dazu benutzt Traffic auf eine spezielle Seite zu führen: Ein Low-Investment-Affiliate-Programm. Wenn ich andere Nutzer (und potentielle Kunden) so beispielsweise auf eine individuelle Seite, à la „shopname.de/kunde/handelskraft“, schicken und auch individuell anpassen kann, was andere dort sehen können (Modell-Nummer, Rezensionen, Bewertungen, Links, etc.), dann hat mich der Onlineshop als Kunde involviert und einen neuen Traffic-Kanal zu seiner Seite gestaltet.

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2 Reaktionen zu “Wie hat man Social Commerce zu verstehen (2)?”

  1. Wirklich toll geschrieben.
    Ein paar Dinge:
    Stört es die Käufer denn wirklich, wenn ein Onlineshop wie oben beschrieben aussieht („Hier sind unsere Produkte, such dir was aus und drück den Kaufen-Button. Gerne darfst du dich unten drunter über alles Mögliche mit anderen unterhalten.“)? Wenn ich etwas haben will, dann kauf ich es auch, da ist mir in erster Linie wichtig, ob der Shop vetrauenswürdig ist, also das Zahlungssystem verständlich und transparent ist.

    Wie soll sich dieses Bedürfnis auch ändern? Indem Onlineshops einem erklären was spannend ist? Dadurch entstehen Bedürfnisse doch erst.