Neue Initiative: Was wollen die „Women in E-Commerce“?

Women in E-Commerce
Screen: Women in E-Commerce

Es lässt sich nicht viel drum herumreden, die E-Commerce Szene ist noch immer in Männerhand. Die galt lange als Techie-Spielart des Handels, in der man sich mehr um Systemlandschaften, Schnittstellen und Serverwartung kümmert als um die Frage, wie es Kaufimpulse zu wecken gilt.

Dieser Zustand hat sich längst gewandelt. In den letzten Jahren überlegen Händler, Systemanbieter und Agenturen unter Schlagwörtern wie Emotionalisierung und Female Commerce, wie man online Kauferlebnisse erschaffen kann. Der weibliche Blick als Weiterentwicklung bisheriger E-Commerce Konzepte hat sich einen festen Platz auf der Agenda der E-Commerce Dauerthemen erkämpft.

Aus diesem Grund empfand ich es als längst überfällig, als ich davon las, dass sich eine Gruppe mit dem Namen „Women in E-Commerce“ zusammenfindet. Bei näherem Hinsehen stellen sich mir allerdings einige Fragen. Jochen Krisch hat bereits angemerkt, dass ausgerechnet der Händlerbund vorprescht. Während dies jedoch eher als Kritk an der Organisation selbst zu verstehen ist, will mir das Ziel der „WIE“ nicht recht einleuchten.

Gründerinnen tauschen sich über ihr Business aus

Denn statt über Themen wie Gender Commerce, welche Online-Einkaufserlebnisse sich Frauen wünschen, oder das Thema weibliche Nachwuchsförderung in E-Commerce Unternehmen, geht es offenbar allein um das Thema Gründen. In der Ankündigung heißt es:

» „Die Frauen mit ihren (Lebens-)Geschichten stehen im Vordergrund der Initiative. Mir war und ist es wichtig aufzuzeigen, wie viele spannende Frauen es im E-Commerce gibt, die ihren eigenen Weg gehen und damit andere zu inspirieren etwas Eigenes zu schaffen.“

Tijen Onaran, Leiterin Kommunikation beim Händlerbund und Initiatorin des Netzwerkes. «

Die Auftaktveranstaltung von „Women in E-Commerce“ findet am 16. September 2015, pünktlich zur dmexco, in Berlin statt. Danach sollen weitere Veranstaltungen in unterschiedlichen Städten folgen, bei denen eine Frau aus ihrem (Alltags-) Business berichtet.

Das finde ich schade, denn schaut man sich das gemeinsam mit der bisherigen Homepage der Initiative an, so wirkt es, als ob Gründerinnen schlichtweg eine weitere Plattform erhalten, ihr Unternehmen vorzustellen. Auch neu ist mir, dass der Händlerbund dedizierte Gründer-Netzwerke spinnt.

„Women in E-Commerce“ sind mehr als „nur“ Gründerinnen

Ich hatte mehr erwartet. Viel spannender wäre es doch, über Frauen in der Tech-Branche allgemein und im E-Commerce im Speziellen zu reden. Dafür müssten nicht unbedingt Gründerinnen, sondern alle im E-Commerce tätigen Frauen angesprochen werden, beispielsweise Entwicklerinnen oder Shopmanagerinnen. Was ist mit all den anderen Frauen, die im E-Commerce arbeiten und den „Vertriebskanal Internet“ in größeren Unternehmen verantworten, und nicht gründen möchten?

Auch klagt die Branche seit Jahren über den Mangel an ausgebildeten Fachkräften – eine solche Gruppe könnte es sich auf die Fahne schreiben, E-Commerce als spannende Karriereperspektive für Frauen präsent zu machen. Junge Frauen motivieren, sich eine Karriere in der Tech-Branche zuzutrauen.

Ebenfalls zu beobachten – auf E-Commerce Konferenzen trifft man viel häufiger männliche als weibliche Speaker. Auch in diesem Bereich könnte man sich stark machen und Speakerinnen eine Plattform geben.

Heikle Themen umschiffen oder ansprechen?

Spannend wird auch, inwieweit man das Thema auch politisch angehen will. Schließlich ist in der Diskussion um Frauen in der Wirtschaft die Gender- und Feminismus-Debatte nicht weit. Ob etwa die Quote zum Thema wird?

Ob der Händlerbund die unangenehmen Seiten weiblicher Gründungen thematisieren wird? In dieser Woche schrieb etwa die Spoon-Gründerin Sarah Adler über entmutigende Alltags-Erlebnisse und Kommentare, denen sich Frauen in der Tech-Branche täglich ausgesetzt finden. Die reichen von Kommentaren männlicher Kollegen in sozialen Netzwerken „wer für so jemanden arbeitet, sollte sein Leben überdenken“ bis hin zu Zugfahrten, in denen sie von Männern ungläubig angesprochen wird, ob sie etwa code.

sexismus im ecommerce
Womit sich Gründerinnen täglich zusätzlich zum eigentlichen Business beschäftigen müssen. Gefunden bei TechCrunch

An heißen Themen mangelt es demnach nicht. Es wird also spannend – entsteht hier lediglich eine Selbstdarstellungsplattform? Ein Netzwerk, das die wirklichen Themen anpackt und nur mit den Branchen-Lichtgestalten die anfängliche Werbetrommel rührt? Oder nur heiße Luft?

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