Europawahl 2019: Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei den Parteien?

Europawahl 2019 Digital
Quelle: Adobe

Die Tage lassen sich an einer Hand abzählen: Am Sonntag, den 26.05.2019 geht ein ganzer Kontinent zur Urne: Europawahl! Unzählige Kandidaten buhlen um 751 Plätze im Europaparlament. Die Wege, sich zu informieren, sind vielfältiger denn je: Kandidatenduelle gucken im good old TV? Wochenzeitungen lesen? Online-Medien? Blogs? Auf Social-Media vertrauen? Online-Entscheidungsfindungshilfen à la Wahl-O-Mat?

Gut, jetzt gab es nach einer Gerichtsentscheidung den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung mehrere Tage nicht mehr. Offline. Nach außergerichtlicher Einigung nun zwar wieder online, aber: Das Netz hält verschiedene, fundierte Wahl-O-Maten bereit – dazu am Ende des Textes mehr (jetzt aber nicht gleich losscrollen). Doch nicht nur die Informationswege sind aufgrund der Digitalisierung vielfältiger geworden, auch das Spektrum der politischen Themen ist breit.

Ein großer Streitpunkt der europäischen Parteien und der europäischen Gesellschaften ist genau das: Die digitale Transformation. Welche Bedeutung spielen digitale Themen wie Cybersicherheit, Datenschutz, Forschung nach Künstlicher Intelligenz, Start-ups oder E-Government in den Parteiprogrammen? Wir haben uns einmal umgeschaut.

Europawahl 2019: Datenschutz und Cybersicherheit

Datenschutz und Cybersicherheit sind die meist behandelten Digital-Themen im Kampf um die Europawahl 2019. Die Einhaltung von Werten und Manieren, wie wir sie in unserer Kinderstube gelernt haben, nimmt in manchen Foren oder Sozialen Netzwerken ab. Könnte da nicht eine Klarnamenspflicht bei der Registrierung hilfreich sein, damit Straftäter sich bei Regelverstößen nicht hinter einem Pseudonym verstecken können?

Nein, das würde das Problem nicht lösen, finden große Parteien wie die SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und die FDP: Jeder sollte das Recht haben, sich im Internet anonym zubewegen. Die CDU/CSU stimmt hierin zwar tendenziell zu, weist aber auch darauf hin, dass Anbieter in ihren eigenen AGBs andere Vorgaben verankern können sollten.

Zur Reichweitenerhöhung setzen immer mehr Gruppierungen sogenannte Bots ein. Selbstständig und autonom unterhalten die kleinen Programme einen Account, zum Beispiel bei einem Social Media-Anbieter, tun aber so, als seien sie ein ernst zunehmendes Individuum.

So wird das Stimmungsbild im Internet verzerrt, was wiederum Auswirkungen auf real existierende Personen haben könnte. Daher fordern sowohl CDU/CSU und SPD als auch Bündnis90/Die Grünen eine Kennzeichnung dieser Bots. FDP und Die Linke sehen die Maßnahmen für noch nicht umsetzbar, weil man technisch noch nicht in der Lage sei, Bots zweifelsfrei zu identifizieren.

SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen fordern die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung. Europäer sollten nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden und die SPD weist explizit darauf hin, dass die Speicherung nicht mit unseren Grundrechten vereinbar sei. Die Union hingegen spricht sich für eine Speicherpflicht von Telekommunikations-Verkehrsdaten aus, da man so ihrer Ansicht nach »schwere Straftaten besser abwehren und insbesondere verfolgen« könne.

Europawahl 2019: Künstliche Intelligenz

Dass die global Player in puncto »Künstliche Intelligenz« nicht aus Europa kommen, zeigt sich allein darin, dass KI, Machine Learning und Deep Learning in der politischen Diskussion stets als »Zukunftsthema« gehandelt wird. Und doch stellen sich vor der Europawahl 2019 fast alle antretenden politischen Kräfte in irgendeiner Weise die Frage, wie man den technologischen Rückstand der alten Welt wieder ausgleichen oder zumindest einer Abhängigkeit von Großkonzernen aus Asien und Amerika entgegenwirken könne.

Durchforstet man die einzelnen Wahlprogramme, so stolpert man überall über dieses Thema. Wir haben unsere Lupe herausgeholt und nachgeschaut. In den Wahlprogrammen der sogenannten »etablierten Parteien« nach den Schlagworten »KI« und »Künstlicher Intelligenz« gesucht. Hier die – skalierbaren – Ergebnisse in absteigender Häufigkeit:

Bündnis 90/Die Grünen: 8 x
FDP: 4 x
SPD: 2 x
CDU/CSU: 2 x
AFD: 2 x
Piraten: 1 x
Die Linke: 0 x

Die CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen fordern je eine gemeinschaftliche europäische KI-Strategie sowie Gelder für EU-Forschungsprogramme. Die Piraten gehen in ihrem Wahlprogramm noch ein wenig weiter und verlangen ein Regulierungsinstrument, um etwa KI-Forschung nicht in Bereichen wie »autonomen Waffensystemen« zu verankern. CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen setzen sich außerdem für die Gründung eines zentralen europäischen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz ein. Die FDP wünscht sich eine stärkere Vernetzung bestehender Forschungszentren sowie eine »Europäische Agentur für Sprunginnovationen«, um »radikale und disruptive Innovationen« zu fördern.

Europawahl 2019: Start-up Förderung

In sämtlichen europäischen Metropolen gibt es sie. Seit ein paar Jahren reden alle von ihnen: Start-ups. Kleine Unternehmen mit innovativer Geschäftsidee und hohem ökonomischen Wachstumspotential. Gerade in dieser dynamischen Zeit sind Start-ups ein wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft, da sie Ideen für neue Technologien fördern. Auch in vielen Parteiprogrammen wird dieses Thema aufgegriffen.

Bündnis 90/Die Grünen wollen kleine Unternehmen vor dem »unlauterem Wettbewerb« mit IT-Riesen schützen und die Finanzierung von Start-ups weiter durch die Europäischen Investitionsbank gewährleisten. Die CDU/CSU wünscht sich, »dass Start-ups in ganz Europa beste Bedingungen vorfinden«. Das soll mit mehr europäischem Kapital gewährleistet werden. Auch die FDP hat sich in ihrem Wahlprogramm über Start-ups Gedanken gemacht. So sollen sich die »Rahmenbedingungen für Start-ups und junge Unternehmen deutlich verbessern« und durch die Förderung ein »European Valley« entstehen.

Europawahl 2019: E-Government

Auf die Frage, ob Wahlen – etwa zum europäischen Parlament – bald online möglich sein sollten, reagieren fast alle Parteien eher zurückhaltend. Sie machen sich Sorgen um das Wahlgeheimnis und die »Unverfälschbarkeit der Wahl« (CDU/CSU), lehnen so etwas aus »gravierenden wahlrechtlichen und wahlpraktischen Gründen« ab (Die Linke).

Perspektivisch möchte die FDP E-Voting ermöglichen, wenn die Technik durch das Bundesverfassungsgericht weiterentwickelt worden sei. Die Grünen lehnen E-Voting ebenfalls nicht ab, sondern knüpfen es an »höchste Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards« und entsprechende Programme, die das entwickeln

Für den Austausch personenbezogener Daten zwischen den Behörden aller EU-Mitgliedsstaaten im Sinne eines digitalen Bürgerservices bringen die Parteien das sogenannte Once-Only-Prinzip ins Spiel. Ziel dieser Möglichkeit ist es, dass Bürger und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den Behörden und Verwaltungen nur noch einmal mitteilen müssen. Danach können Verwaltungsapparate aus EU-Ländern auf die Daten zugreifen, selbstverständlich unter Einhaltung der DSGVO.

Das Once-Only-Prinzip wünschen sich vor allem SPD und CDU/CSU. FDP und Die Linke fordern eine weitere explizite Zustimmung der betroffenen Person bei jedem Vorgang. Bündnis 90/Die Grünen pocht auch in diesem Punkt auf eine konstruktive Weiterentwicklung der Datenschutz– und IT-Sicherheitsstandards.

Europawahl 2019: Ein Wahl-O-Mat, viele Entscheidungshelfer-Tools

Selbstverständlich interessieren sich die Menschen in der EU nicht nur für Fragen der Digitalisierung. Und so werden viele weitere Themen wie Klimaschutz, Migration oder Bildung eine Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen. Doch wie findet man sich zurecht im Wahlprogramm-Dschungel – zumal insgesamt 40 Parteien antreten?

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg hat auf ihrer Website die Wahlprogramme aller Parteien zum Download zur Verfügung gestellt. Seit 2002 kann man seine Ansichten im Vorfeld einer Wahl mit dem Wahl-O-Mat gewichten lassen. Doch weil sich kleine Parteien nicht genug repräsentiert fühlten und klagten, mussten Website und App des Wahl-O-Maten am Montag, den 20.5. offline gehen. Es kam zur Einigung, seit Donnerstagabend sind Seite und App wieder verfügbar.

Doch es gibt auch alternative Entscheidungshelfer für die breite Themenvielfalt: Der Wahl-Kompass Europa 2019 der Universität Münster oder die App WahlSwiper, in der man Thesen à la Tinder nach links oder rechts wischen kann.

Besteht der Wunsch, nur zu erfahren, wie sich die Parteien zu Digital-Themen positionieren, dann lohnt sich ein Blick auf den Digital-Thesen-Check von D64 zur Europawahl 2019 oder die Umfrage des Digital-O-Maten.

Digitalisierung im Business-Check

coverbild trendbuch handelskraft 2019: digitale dnaDie Digitalisierung wird uns alle auch nach dem 26. Mai umtreiben. Den finalen Check, sowie die Entscheidung für die Europawahl müsst ihr letztlich selbst erledigen. Doch was Digitalisierung für euer Business bedeutet, welche Trends es gibt und wie aus Buzzwords Benefits werden, haben wir bereits für euch zusammengestellt. Im aktuellen Trendbuch Handelskraft 2019 Digitale DNA findet ihr die Antworten.

Das Trendbuch steht exklusiv für Händler, Hersteller und Verlage hier zum kostenlosen Download bereit.

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