Marktplätze im Wandel – Der Handelskiller wird erwachsen

Grafik:Maciej Latałło
Grafik:Maciej Latałło

Vor kurzem bat man mich einen Roundtable während des ECD17 (E-Channels Day) in München zu moderieren. Da als weitere Moderatoren Jochen Krisch und Stephan Meixner gesetzt waren, sagte ich sofort zu. Unter dem Titel „One System fits all? Die Komplexität heutiger IT-Infrastruktur im Fokus.“ beleuchteten Engelhorn-Head-of-E-Com-Tech Thorsten Huth, Denkteich-Geschäftsführer Roman von Heesen und Tradebyte-CPO Thorsten Barth die Frage, warum es „das eine System“ nicht gibt und welche – vor allem nicht-technischen – Herausforderungen im Management der Systeme bestehen.

Obwohl ich mich in der Tech-Welt durchaus wohl fühle, war der ausverkaufte ECD17 eine gute Gelegenheit sich mal wieder tiefer in die Materie Marktplätze einzugraben und abzuholen, was Händler und Hersteller zurzeit beschäftigt. Die, für mich, schönste Erkenntnis des Tages: Zumindest die meisten der anwesenden Brands sehen Marktplätze nicht mehr als den Handelskiller. Hallelujah, wir können endlich aufhören den Teufel Amazon an die Wand zu malen.

Drei Themen haben meine Gespräche und die besuchten Panels auf der Haus-und-Hof-Konferenz der Tradebyte Software GmbH für mich bestimmt: Händler vs. Hersteller, Internationalisierung und Personal-, Tech- & Kanalexzellenz.

Braucht es Händler neben den Plattform?

Wir haben auf handelskraft schon häufiger das Thema Marktplätze – auch im B2B – beleuchtet. Auch die Marginalisierung des klassischen Webshops, hin zu Plattformen, Apps, Streams etc. pp. betonen wir. Spannend war zu sehen, dass immer mehr Hersteller auf während des ECD17 klar die Frage artikulierten, wie sie selbst auf den Plattformen und Marktplätzen aktiv werden können.

Getrieben werden solche Fragen von Brands vor Ort, die zwischen 40 und 90!!! Prozent ihrer Umsätze auf Marktplätzen machen. Dabei waren besagte best-practice-brands vor fünf Jahren dort noch gar nicht aktiv. Die Umsatzanteile haben sich kurzgesagt innerhalb weniger Jahre vollkommen vom klassischen Geschäft hin zu Plattform-Business gewandelt. Was hält Hersteller davon ab auf Marktplätzen erfolgreich zu werden?

Bisher, so die traurige Erkenntnis, würden die meisten Transformationsprozesse noch auf der Chef-Etage gebremst. Das bisherige Geschäftsmodell sei die tragende Säule und risikoarm. Der Wandel, selbst wenn in Pilotprojekten und mit MVP-Ansätzen bestätigt und als rentabel gezeigt, werde weiterhin als unnötig wahrgenommen. Ich persönlich höre hier ganz laut die letzten Sandkörner durch das Uhrenglas des Geschäftserfolgs rieseln.

Insbesondere dann, wenn die Grenze zwischen Händler und Hersteller verschwimmt. Ein anwesender Sockenhändler hat sich auf ebay und Amazon großgehandelt. Mittlerweile wird nicht einfach der Warencontainer nach Europa verschifft und anschließend die Handelsarbeit begonnen. Vielmehr wird der weltweite Handel nun direkt in China vorbereitet und orchestriert.

International erfolgreich mit Marktplätzen?

Erfolgreiche Marktplatzhändler können problemlos international handeln. Einfach die entsprechenden Optionen bei Amazon freigeben und los geht es. Leider ist es nicht – und zwar überhaupt nicht! – so einfach. Die größten Hürden, da waren sich Händler und Hersteller während der Konferenz in München einig, sind weiterhin Landesrecht, Logistik und die Kanalauswahl.

Für deutsche Marktplatzteilnehmer wirkt die internationale Expansion in den deutschsprachigen Raum – Österreich und Schweiz – sehr verlockend. Produkttexte können wiederverwendet werden und Kundensupport lässt sich auch ohne Sprachbarriere leisten. Wären da nicht die Zoll-Regelungen der Schweiz. Hinzu kommen die initialen Kosten.

Wie setze ich mich gegen regionale Wettbewerber durch, wenn man längere Lieferzeit zu höheren Kosten bietet, bzw. gleichartige Lieferung zu noch höheren Kosten? Wie kann ich sicherstellen, dass die letzte Meile der Pakete vom regional beliebtesten Logistiker erledigt wird? Die falsche Wahl des Partners für die letzte Meile kann den Kaufprozess schon am Beginn beenden.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Wahl des richtigen Marktplatzes. Während man in Deutschland mit ebay, Amazon, Otto, Zalando und Real (ehem. Hitmeister) gut bedient ist, muss beispielsweise im französischen Markt genauer gewählt werden. Spezialplattformen – wie es beispielsweise dawanda im deutschen Markt ist – erfreuen sich dort größerer Beliebtheit und Vertrauen, als hierzulande.

Marktplätze und die Grenzen des Wachstums

Es ist spannend, Software-Lösungsanbieter, Dienstleister und Nutzer auf einer Veranstaltung zusammenzubringen. Diese drei Gruppen sind es schließlich, die fokussiert gemeinsam daran arbeiten Plattform- sowie Kundenanforderungen zu erfüllen ohne sich ökonomisch zu ruinieren. Dennoch, so auch das Fazit des von mir moderierten Panels: Ohne klare Strategie, qualifiziertes Personal und exzellente Technik, geht zukünftig nichts mehr.

Strategisch muss fokussiert werden, welche Marktplätze angegangen werden und mit welchen Produkten. Kein Händler oder Hersteller mit über 50000 Produkten kann es sich leisten hochwertigen Content über hochwertige Produktdaten und –bilder hinaus für alle Produkte zu erstellen.

Daten für Content-Commerce, Kampagnen und Plattformanforderungen müssen aber eineindeutig sein. Die Stichworte Datenqualität und Single-Source-of-Truth waren das Mantra. Das gilt für Produktdaten ebenso, wie Kundendaten.

Im Ergebnis musste man zugeben: Omni-Channel Szenarien, die auch Plattformen und Marktplätze integrieren sind höchst komplex und herausfordernd, da die Nutzererfahrung an vielen Stellen scheitern kann. Der Ratschlag der Runde war daher die Kanäle strategisch Stück-für-Stück zu integrieren und weiter aufzubauen, anstatt den großen Wurf zu versuchen.

Alles in Butter in der Plattform-Ökonomie?

Wo bleibt die Kritik, kann man sich nun fragen? War der E-Channels Day von Tradebyte eine große Werbeshow mit Gratis-Schulterklopfen? Keineswegs. Plattformen und ihr Erfolg haben zwei klar kritikwürdige Indikationen für Händler und Hersteller. Abhängigkeit & Willkür sowie Zugang & Gatekeeping.

So erfolgreich man auf ebay, Amazon oder zalando auch sei, die Plattformen bestimmen die Regeln. Nur wenige Big-Player haben die Chance die Regeln zu beeinflussen. Für den größten Teil gilt aber: Friss oder stirb. Da der Kunde die Plattformen aber nun einmal bevorzuge lohnt es sich nicht die Arme zu verschränken. Eher müsse man weiter den Austausch – wie den ECD17 – zwischen Plattformen, Middleware-Herstellern, Dienstleistern und den Marktplatzteilnehmern suchen, um flexibel und strategisch klug agieren zu können.

Um das Problem des Zugangs zu Kundendaten zu lösen müssten Brands vermehrt ihre eigenen Kanäle neu denken. Welche Mehrwerte kann eine eigene Website – nicht gleich Webshop! – in Sachen Service, Loyalty, Content und Experience bieten? Wer das Erlebnis owned-media Erlebnis stärkt und mit der Plattform verknüpft, hat zukünftig ausreichend wertvolle Kundendaten, um das Geschäft weiterzuentwickeln. Dabei helfen können auch Ansätze, wie LEGO Serious Play, wie sie während des Event in München präsentiert wurden und erlebbar waren.

Fazit: Marktplätze sind etabliert!

Digitale Transformation Whitepaper Marktplätze erfolgreich zu bespielen ist aufwändig, aber lohnenswert. Die Frage, die sich nun stellt, da auch Hersteller den Kanal immer stärker für sich entdecken: Wann wird die Mehrzahl im B2B auf Marktplätze setzen und wie überspringen Hersteller, die gerade ihre Digitalstrategie entwickeln, die Entwicklungsstufe „eigener Webshop“? Vielleicht gibt es Antworten dazu schon auf dem ECD18.
Wer nicht so lang warten möchte sollte zu diesem Thema die dotSource Digital Commerce Manager kontaktieren oder uns am 22. und 23. Juni in Berlin auf der K5 World Expo Stand 39 treffen.
Unser frisch aktualisiertes Whitepaper »Digitale Transformation: Herausforderungen des digitalen Wandels für Marketing, Sales und IT« kann man hier zum kostenlosen Download anfordern.

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