Probleme des Dynamic Pricings: Wenn Frauen über 80 Prozent mehr zahlen

Grafik:John Y. Can
Grafik:John Y. Can

Im Soziologiestudium wird man als männlicher Student oft mit Studentin angesprochen, Mutter Staat ist ein geläufiger Begriff und sowieso endet jedes geschlechtsspezifische Substantiv mit *innen. Die Sociology of Gender sieht sich als Vorreiter, wenn es um die Gleichstellung von Mann und Frau geht. Bisher hat diese Art der Aufklärung im Handel relativ wenig bewirkt. Hier gilt die Devise: Blau ist billiger als Pink. Sobald demographische Daten beim Dynamic Pricing benutzt werden, wird die Preisgestaltung aber diskriminierend.

Wenn Dynamic Pricing unfair wird

Bestimmt ein Anbieter die Preise nach dem Modell Dynamic Pricing, besteht stets die Gefahr, dass man bestimmte Gruppen vor den Kopf stößt. Dynamic Pricing bedeutet die Anpassung des Preises an eine Vielzahl von Faktoren, wie beispielsweise die Nähe zum Lagerzentrum, die bestellten Mengen oder eben demographische Daten, wie Alter, Geschlecht oder Nationalität.

Während manche Faktoren mit einfachen Kosten-Nutzen-Rechnungen und der Angebots-/Nachfragemenge zu erklären sind, ist die Einbeziehung von demographischen Fakten häufig diskriminierend. Wenn die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, möchte man eben aus jeder Bevölkerungsgruppe das Maximale herausholen, ohne dabei auf ethische oder moralische Fragen achten zu müssen – Big Data macht es ja möglich.

Gender Pricing als Paradebeispiel

Gerade beim Blick auf die Geschlechter sieht man, dass die Preisgestaltung eine Seite bevorzugt. Frauen zahlen dabei bis zu 90 Prozent mehr für nahezu identische Produkte. Vor allem bei Pflegeprodukten scheint die Schere weit auseinander zu gehen. Warum? Argumentiert wird mit einem erhöhten Beratungsaufwand für weibliche Kunden – doch rechtfertigt das auch in Onlineshops einen so großen Preisunterschied?

Nahezu identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen
Nahezu identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen

Manche Branchen kennen den Vorwurf des Gender Pricings schon lange. So müssen Friseure immer wieder erklären, warum der Preis für einen Haarschnitt nicht von der Haarlänge, sondern vom Geschlecht abhängig ist. In den US-Staaten Kalifornien und New York ist das Gender Pricing mittlerweile verboten.

In manchen Fällen legitim

Das Problem ist nicht neu: Schon 2000 verärgerte Amazon.com seine Kunden mit unterschiedlichen Preisen. Ein Nutzer löschte damals seine Cookies und betrat die Amazon-Seite quasi als Neukunde…plötzlich kostete eine DVD bis zu 4 US-Dollar weniger. Sind solche Preisunterschiede gerechtfertigt?

In einigen Fällen ja: Erhalten treue Bestandskunden beispielsweise einen Preisnachlass, kann dies als Belohnung für anhaltende Loyalität gesehen werden. Preiserhöhungen für „Retourensünder“ scheinen ebenfalls legitim zu sein, da diese aktiv und bewusst Mehrkosten verursachen.

Preisoptimierung vs. Preisdiskriminierung

Gerade für Onlineshops, die in Big Data schwimmen, ist Dynamic Pricing das perfekte Instrument, den Preis zu optimieren und individuell das Höchstmögliche herauszuholen. Bezieht man demographische Daten, wie Alter oder Geschlecht, in die Preisgestaltung ein, muss aber immer mit dem Vorwurf der Diskriminierung gerechnet werden.

Was kann der Kunde tun? Frauen sollten auf die Inhaltsstoffe zu adäquaten Produkten „for men“ achten und gegebenenfalls darauf zurückgreifen. Unterschiedliche Preise für selbe Produkte, die beispielsweise durch Cookies zustande kommen, lassen sich schwer manipulieren. Der Inkognito-Modus moderner Browser hilft allerdings dabei herauszufinden, wie die Preise für Personen sind, die noch nicht mit Cookies getrackt wurden.

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3 Reaktionen zu “Probleme des Dynamic Pricings: Wenn Frauen über 80 Prozent mehr zahlen”

  1. Hallo Nico,

    ist der Unterschied beim Pricing denn wirklich geschlechter-bezogen oder erfüllen die Damen nur Parameter im Algorithmus, der das Produkt dann (zufällig) teurer werden lassen – oder ist das gezielt so eingestellt?

    Und ist das jetzt „nur“ ein Beispiel für eine Software oder ein generelles Problem im E-Commerce bei verschiedenen Anbietern? Haben die Webshops dann die gleiche Software im Hintergrund oder sind es jeweils unterschiedliche? Wäre sehr interessant, wenn du dazu noch einen Artikel veröffentlichen könntest. Also welche Faktoren manipuliert/ausschlaggebend werden können/sind, die dann den Preis beeinflussen. Und ob es für jeden Faktor dann eine entsprechend gute Erklärung gibt, wieso dass jetzt dann Auswirkungen im E-Commerce hat und die Preise im Onlineshop verändert.

    Viele Grüße

    Christoph

  2. Hallo Christoph,

    Anfang des Jahres habe ich schon einmal über Dynamic Pricing geschrieben:
    http://www.handelskraft.de/2015/01/dynamic-pricing-preismanagement-nach-b2b-art/

    Dort ging es vor allem um das Beispiel jet.com. Prinzipiell ist das spezielle Problem „Gender Pricing“ kein alleiniges Problem (ist es das überhaupt?) des E-Commerce, da die Produkte im stationären Handel ja ebenso verteuert angeboten werden.
    Wie im Artikel beschrieben, finde ich es problematisch, Preise an demografischen Daten festzumachen – das geht ja schon bei der Definition der Zielgruppe los: Zielgruppe A bezahlt weniger als Zielgruppe B weil… und hier greifen dann spieltheoretische Annahmen, die das Maximum aus dem – bestenfalls – rational agierenden Kunden rausholen wollen.

    Dynamic Pricing hat Auswirkungen auf die Preisgestaltung im E-Commerce, wichtig ist, dass ein Unternehmen logisch erklären kann warum die Preis für unterschiedliche Personen unterschiedlich hoch sind und es nicht auf Mann/Frau oder Jung/Alt usw. hinausläuft.

  3. Interessanter Artikel. Dass Einzelkunden unterschiedliche Preise erhalten, war mir noch nicht bekannt. Aber gerade das Beispiel Gender Pricing bei Pflegeprodukten war mir in Drogerien auch schon aufgefallen. Ganz besonders bei preiswerten Einwegrasierern, die sich nur in der Farbe unterscheiden, fällt das unterschiedliche Pricing auf. Die rosa Rasierer sind deutlich teurer als die blauen. Bei Rasierschaum mag man noch grübeln, ob für Frauen wg. empfindlicherer Haut besondere Pflegestoffe enthalten sein könnten. Aber bei Plastikrasierern von allgemein niedriger Qualität fehlt jede Argumentation.