Omnichannel – Wie ist die Lage?

Grafik:Sis. SentAsha KeyAma-Joy EL
Grafik:Sis. SentAsha KeyAma-Joy EL

Vom völlig überhypten E-Commerce-Trendthema hin zur Antwort auf die „Was gegen Amazon tun?“-Fragen und zurück zum Status „Zu teuer!“ – das ist die stark verkürzte Geschichte des Verkaufs von Produkten über mehrere Plattformen und Kanäle hinweg. Der Begriff Omnichannel spukt nun schon seit Jahren in den Unternehmen umher. Was genau er bedeutet und wo der Unterschied zu Multi- und Cross-Channel liegt, wissen nur eingeweihte E-Commerce-Gurus.
 
Das Konzept des kanalübergreifenden Kundenkontakts ähnelt aber mittlerweile immer mehr einem Punchingball. Es wurde so oft auf Omnichannel-Strategien eingeschlagen, dass die Unterscheidung zwischen tatsächlichen und fadenscheinigen Pros und Kontras derzeit mehr ein Raten ins Blaue ist. Wie geht es der Idee des Omnichannels? Wer haut drauf und wer reicht – aus welchen Gründen auch immer – die Hand hin?
 

 

Omnichannel als Weiterentwicklung des Multichannels zu definieren würde dem Begriff nicht gerecht werden. Viel mehr ist die Omnichannel-Strategie eine allgemeine Einstellung des Unternehmens zu den Herausforderungen der Digitalisierung. Als Antwort auf die Frage danach, was man nun eigentlich mit den über Jahre und über alle Kanäle hinweg gesammelten Kundendaten anstellen soll, kann das Omnichannel-Konzept durchaus erfolgreich sein.

Fragen über Fragen, die letztendlich nur der Omnichannel selbst beantworten kann:

Handelskraft: Genug der einleitenden Worte: Wie fühlt man sich als Konzept, das seit Jahren durchgereicht, kritisiert und stellenweise gelobt wird?
 
Omnichannel: Schwierige Zeiten sind das. Zwar bescheinigen mir mehrere Studien, dass ich in den Köpfen der meisten Händler verankert bin. Dennoch ist die Kritik an meinen Vorteilen größer denn je. Zeitgleich beschäftige ich mich natürlich mit den schwerer werdenden Herausforderungen der digitalen Customer Journey. Alles in allem geht es mir trotz diverser Zerreißproben gut – die Studien lügen also nicht.
 
Handelskraft: Du sprichst die harsche Kritik an: Kürzlich wurde anhand einer Milchmädchenrechnung deine Glaubwürdigkeit heruntergesetzt. Demnach sind Händler mit nur einem Kanal besser aufgestellt, da die vollen Ressourcen in eben diesen einen Kanal eingesetzt werden können während Omnichannel-Händler ihre Ressourcen geschickt verteilen müssen, damit sich überhaupt eine Kundenzufriedenheit einstellt. Was hältst du von solchen Rechenbeispielen?
 
Omnichannel: Das angeführte Beispiel liegt natürlich nicht ganz falsch. Allerdings wird dabei vorausgesetzt, dass sich der Händler keinerlei Gedanken über die Customer Journey seiner Kunden macht und einfach ins Blaue ein Omnichannel-Konzept einführt. Die technische Umsetzung ist nicht alles, eine strategische Vorphase gehört nun mal auch dazu. Nur so kann verhindert werden, dass Ressourcen in einem nicht genutzten Kanal „verpuffen“.
 
Handelskraft: Dass die Customer Journey vielen immer noch ein Fremdwort ist, ist bekannt. Wie sieht es aber mit denen aus, die das Spiel langsam anfangen zu verstehen, die mit Hilfe neuer Technologien, wie beispielsweise der Künstlichen Intelligenz, anfangen die gesammelten Kundendaten effektiv zu nutzen? Siehst du dich dadurch in Zukunft häufiger im Einsatz?
 
Omnichannel: Natürlich. Gescheiterte Konzepte meinerseits basieren größtenteils auf dem Unwissen über den Kunden. Es wurde probiert Kanäle zu erschaffen, die Kunden dann nutzen sollten. Viel wichtiger ist aber die Bedürfnisse der Nutzer zu verstehen und darauf aufbauend Kanäle zu etablieren. Kundendaten helfen natürlich dabei genau diese Kontaktpunkte zu identifizieren und letztendlich auch zu nutzen.
 
Handelskraft: Strategische Vorphase, die richtige Technologie und ein tiefgehendes Kundenverständnis sind also deine Erfolgsfaktoren. Damit steht der erhofften Rettung des stationären Einzelhandels nichts mehr im Wege und die Innenstädte sind bald wieder voll mit Menschen.
 
Omnichannel: Die Gerüchte darüber, dass ich den stationären Einzelhandel rette, sind natürlich an den Haaren herbeigezogen. Klar bietet die Digitalisierung auch Chancen für stationäre Händler, doch sollten diese sehr wohl überlegen, ob sich eine Omnichannel-Strategie rentiert oder nicht. Da man ja augenscheinlich vor der bisherigen Scheingefahr „Internet“ davongelaufen ist, rate ich zur Vorsicht.
 
Handelskraft: Ist das der Abschied vom Image des „Guardian of the Einzelhandel“?
 
Omnichannel: Dieses Image wurde mir gegeben, ich selbst habe mich stets dagegen gewehrt. Aber wie das nun mal so ist: Wo gesägt wird, fallen Späne. Nichtsdestotrotz bemühen sich einige Unternehmen meinen Ruf wieder sauber zu machen.
 
Handelskraft: Meinst du Amazon?
 
Omnichannel: Sicherlich, Amazon wird – davon gehe ich fest aus – in Zukunft zeigen, wie erfolgreich ein Omnichannel-Konzept sein kann. Interessanter sind aber die Ansätze der direkten Konkurrenten, beispielsweise von Walmart. Stationär ist Walmart schon vertreten, nun steht die Digitalisierung und die Verknüpfung der einzelnen Kanäle im Vordergrund. In der Vergangenheit tat sich Walmart dabei allerdings keinen Gefallen.
 
Handelskraft: Den Zukauf von Jet.com mit eingerechnet?
 
Omnichannel: Das wird sich zeigen müssen. Noch fehlt einem der umsatzstärksten Unternehmen der Welt eine gerade Linie. Neueste Entwicklungen lassen mich allerdings hoffen.

Nichts für jedermann

Alles bleibt also wie immer: Es gibt eine Personengruppe, die dem Omnichannel den Tod wünscht, und es gibt eine Personengruppe, die dem Omnichannel mehr Vorteile zusagt als überhaupt existieren. Irgendwo dazwischen liegt die Antwort. Und auch das ist wie immer: Ein Omnichannel-Konzept ist nichts, was bei jedem Unternehmen funktioniert. Dazu braucht es tiefgehende Analysen und falls es zur Umsetzung kommt, wird auch ein Umdenken bei einem Großteil der bisherigen internen Prozesse beginnen müssen.

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