Wie teuer ist Digitalisierung und was kostet Scheitern? Reflexartige Fragen verhindern die digitale Transformation.

Wie teuer ist Digitalsierung? Reflexartige Fragen ECC Forum 2019
Quelle: pixabay

Schon Kinder bekommen beigebracht, dass es keine dummen Fragen gäbe. Ich finde das einen sehr glücklichen Umstand, denn garantiert habe ich in fast sieben Jahren E-Commerce- und Digitalisierungswissensaufbau und -vermittlung Praxis-Experten auch mit beeindruckend zwecklosen Fragen genervt. Doch was soll es, Fragen sind ein Zeichen von Neugier!

Lernen lässt sich jedoch nicht nur durch eigene Fragen. Besonders spannend wird es für mich, wenn sich das Frage-Antwort-Spiel Anderer beobachten lässt. Denn nicht nur die Antwort selbst erweitert den eigenen Horizont, sondern ebenso die Zwischentöne der Sprechenden. In welchem Kontext wird die Frage gestellt? Aus welcher Position? Mit welchem Zweck? Und wie nimmt die antwortende Person diese Rahmenbedingungen in ihre Antwort auf?

Das beschriebene Spiel lässt sich gerade auf Konferenzen sehr gut beobachten. So beispielsweise während der ECC Foren für B2C und B2C vor knapp 14 Tagen in Köln. Neu war, dass B2C- und B2B-Forum an aufeinanderfolgenden Tagen stattfanden. Eine gute Neuerung, wie ich finde. Ansonsten war das Setting bekannt und bewährt. Händler und Hersteller berichten in Vorträgen von ihren Erfahrungen, den Erfolgen und den Rückschlägen der digitalen Transformation. Circa 300 Ohrenpaare lauschen gespannt, versuchen Parallelen zum eigenen Unternehmen zu ziehen und haben am Ende des Referats kurz Zeit Rückfragen zu stellen. Soweit so etabliert. Dazu einige Pausen um zu Netzwerken, genügend Wasser und Kaffee sowie am Abend Kölsch.

Es hätte so schön sein können. Wäre da am Ende der Vorträge nicht immer wieder die ähnliche Frage gewesen, die niemals wegmoderiert wurde: Was darf das kosten?

Zahlen sind wichtig, aber kein Selbstzweck

Klar, Geld wächst nicht auf Bäumen. Für Unternehmen wie Privatleute gilt, dass sie nur die Summen investieren können, die ihnen durch Erträge, Sparsamkeit oder Kapitalgeber zur Verfügung stehen. Planung und Controlling sind oft weder inspirierend, noch jede Menge Spaß. Im besten Fall führt das Wissen um die Zahlenentwicklung entlang der Zeitachse jedoch auch zu größerem Mut für Innovation und Risiko. Die Kostenfrage ist berechtigt.

Was mich jedoch an der Kostenfrage in den Q&A-Sessions während der Konferenz so aufregte, ist ihre Nutzlosigkeit. Die Ohrfeige, die jene Frage an so viele bessere, nun nicht gestellte, Fragen verteilte. Als würden die CFOs der Händler und Hersteller darauf reagieren, wenn man nur laut genug betont, dass Firma X Betrag Y in den Sand gesetzt hat. „Ach, eine halbe Million Euro? Na, wenn das so ist, hier ist dein Budget, bitte geh schnell scheitern.“ Diese Logik war schon in der Schule zwecklos, wenn man sich damit zu verteidigen versuchte, dass MusterschülerIn Z doch aber auch eine miese Note in der Klausur habe.

Gerade in der Kombination mit dem Wörtchen „darf“. Als gäbe es eine universal gültige Summe, um irgendetwas zu tun. Der CDO von Firma X sagt, dass Personalisierung drei Millionen Euro kosten darf. Und nun? Einfach auf Personalisierung fokussieren, alle anderen Transformations-Baustellen ignorieren und sich ganz fest 3 Millionen wünschen? Man.

Bevor ich zu destruktiv werde, hier drei Beispielfragen zum Mitnehmen, von denen ich einen höheren Erkenntnisgewinn erwarte:

  • Wie habt ihr das Budget für euer Innovationsprojekt entwickelt?
  • An welchen Kennzahlen messt ihr euren Erfolg und welche Ziele habt ihr euch gesetzt?
  • Wann habt ihr erkannt, dass eure Idee nicht funktioniert und wie seid ihr weiter vorgegangen?

Digitale Transformation gibt es nicht gratis: Learnings aus den ECC-Foren

Wie schon beschrieben, hat die Kostenfrage ihre Berechtigung. Sie ist, ebenso wie der Begriff „digitale Transformation“ in den meisten Fällen aber leider nicht spezifisch genug, weil sie vor dem individuellen Kontext mal eben die Augen verschließt.

In verschiedenen Vorträgen während der ECC-Foren zeigte sich beispielsweise, dass der Transformationserfolg auch neue Methoden und Räume erforderte. So wurde von ersten Projektzeiträumen – meist ein halbes Jahr lang – berichtet, die komplett auf Design-Thinking beruhten. Im Ergebnis organisieren sich die entsprechenden Management-Ebenen nun – noch einmal 2 Jahre später – weiterhin mit Kanban und haben sogenannte Dailys oder Weeklys, um sich abzustimmen und konkrete Aufgaben zu bearbeiten.

Ebenso wurden Büros modernisiert oder spezielle Orte neu aufgebaut. Mit offenen Strukturen, Materialien zur kreativen und interaktiven Arbeit und Orten, die Begegnung und Austausch fördern. Hier hätten sich Kostenfragen durch externe Beratung, Planung und Umsetzung in Relation zur Umsatzentwicklung des Unternehmens gelohnt.

Eine weitere Erkenntnis lässt sich als „Förderung der jungen Wilden“ zusammenfassen. Egal ob crossfunktionale Teams bei Audi oder explizite Ausgründungen von Inkubatoren. Der heiße Scheiß, den sich Händler und Hersteller augenscheinlich für das eigene Unternehmen wünschten, wurde voll und ganz von Quereinsteigern oder Werkstudenten – gemeinhin Personen weit unter 35 Jahren – getrieben. Dabei zeigte sich, dass die Personalkosten hier vergleichsweise niedrig, die Hygienefaktoren Zeit, Raum, Managementaufmerksamkeit sowie Technologie initial höher ausfielen.

Das dritte Hauptthema heißt Kosten für den Kundenfokus. So wie es „den Kunden“ nicht gibt, lassen sich also auch die Kosten nicht pauschal angeben oder sinnvoll für das eigene Geschäft nutzen. Bei EMKA Schmierstoffe war die Erkenntnis beispielsweise, dass die höchsten Kosten für die Kundenbetreuung intern liegen. Heterogene Daten, Preislisten nach Bauchgefühl und Vertriebsprozesse nach Gutdünken der Kundenbetreuer. Die geschaffene Lösung aus PIM, CRM und Webshop vereinfacht es zwar auch den bisher schon zufriedenen Kunden, senkt durch Daten- und Prozessharmonisierung sowie automatisierte Angebotserstellung in erster Linie interne Kosten und erleichtert Controlling und Forecasting.

Veränderung braucht Handeln

Buchstäblich können Händler eines ganz besonders gut: Handeln. Statt sich also hinter vermeintlichen Zahlen zu verstecken, um die Veränderung auszusitzen, müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Zu konkreten Kosten. Oder um es in den radikalen Worten Marcus Diekmann von Rose Bikes zu sagen: „Mach mit oder geh!“

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