Die digitale Patientenakte – Vorbild Dänemark

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Quelle: pexels

Während wir in Deutschland über einen Organspendeausweis aus Pappe diskutieren, uns in überfüllten Wartezimmern stundenlang quälen, um ein ausgedrucktes Rezept zu erhalten oder unseren Impfausweis vergeblich suchen, lösen unsere Nachbarn aus Dänemark ihre Gesundheitsfragen schon seit Jahren bequem und erfolgreich per App.

NemID – der Login für alles

Ziel der dänischen Politik ist es, die öffentliche Verwaltung grundlegend zu digitalisieren und einen Mehrwert für den Bürger zu schaffen. Sämtliche Verwaltungsgänge sollen orts- und zeitunabhängig digital erledigt werden können. Dieser Prozess ist teilweise so weit fortgeschritten, dass die Behörden mancherorts ohne Öffnungszeiten auskommen.

Jeder dänische Bürger erhält zu seiner Geburt eine zehnstellige unverwechselbare Sozialversicherungsnummer. Mit dieser kann man sich für NemID anmelden. NemID regelt den persönlichen Online-Zugang für offizielle Angelegenheiten in Dänemark, in dem man einen globalen Login mit passender TAN-Liste erhält. Diese Einmalkennwort-Methode kennen wir in Deutschland von Überweisungen im Online-Banking. Sie gilt als weitestgehend sicher, da die zweistufige Authentifizierung mit Login und Transaktionsnummer kaum zu knacken ist.

Mit NemID erhält man auch Zugang zu verschiedenen Einrichtungen wie Eboks, einem öffentlichem elektronischem Postsystem. Mit diesem Service ist es möglich, die komplette Kommunikation mit dänischen Behörden digital und unkompliziert abzuwickeln. Außerdem lassen sich mit NemID auch Bankgeschäfte, Steuern und die eigene persönliche digitale Patientenakte verwalten.

sundhed.dk – das Gesundheitsportal der Dänen

Nach der sicheren Anmeldung mit NemID erhält man auf den Seiten von sundhed.dk einen ganzheitlichen Überblick über die persönlichen Gesundheitsdaten. Das System ist das fortschrittlichste seiner Art.

In der Krankenakte findet man die neuesten Informationen zu den aktuellen und vergangenen Behandlungen, Medikamenteneinnahmen, Medikamentenallergien und Laborauswertungen.

Es besteht die Möglichkeit, die eigene Einstellung zur Organspende zu hinterlegen oder eine Patientenverfügung durch Angehörige für den Ernstfall zu erstellen. Das lästige Mitführen eines Organspendeausweises ist damit hinfällig.

Neben dem eigenen persönlichen Zugang haben selbstverständlich auch Hausärzte, Fachärzte und Krankenhausärzte Zugriff auf die Daten der Krankenakten. Im Portal erhält man Auskunft, wer Einblick in die Patientendaten genommen hat. Informationen über einzelne Behandlungen können als privat gekennzeichnet werden, sodass dem Hausarzt oder Facharzt nur das weitergeben wird, was man möchte.

Einige Gesundheitsdaten wie Blutdruck oder Blutzuckerspiegel können persönlich eingepflegt werden, damit Ärzte und Patienten eine langfristige Übersicht über Vitalwerte erhalten.

Selbstverständlich lassen sich auch Rezepte digital erstellen. Diese werden umgehend zur gewünschten Apotheke weitergeleitet, damit entsprechende Medikamente schnell zur Verfügung gestellt werden können. Überweisungen mit passenden Terminen beim Facharzt werden ebenfalls digital abgebildet.

Ein Patientenhandbuch dient als medizinische Online-Enzyklopädie für Patienten und Angehörige. Es enthält etwa 25.000 medizinische Artikel über Zustände, Symptome, Behandlungen und Gesundheit, die mit über 2.000 Zeichnungen, Fotos, Röntgenaufnahmen, Videos und Animationen illustriert werden. 

Und kommt diese Eierlegende-Wollmilchsau nach Deutschland?

Dänemark zeigt, wie man mit einem klugen Onlinedienst und digitalen Fortschritt Erfolgsgeschichte schreiben kann. Im 20-Länder-Vergleich für Digitale Patientenakten der Münch-Stiftung landet Deutschland nur im hinteren Mittelfeld und muss zusehen, wie die skandinavischen Länder digital enteilen.

Insellösungen, die alles andere als smart und zukunftsfähig sind, geben derzeit die Musik in unserem Land an. Die Techniker Krankenkasse versucht es mit »TK-Safe«. Eine kleine Vereinigung, unter anderem mit DAK-Gesundheit, IKK und Allianz, probiert ihr Glück mit »Vivy« und andere Krankenkassen machen noch einen weiten Bogen um diese Zukunftsthemen.

So richtig gut funktioniert noch keine dieser Lösungen. Die Funktionen kommen nicht mal ansatzweise an das dänische Vorbild heran oder sie greifen auch deshalb nicht, da die Infrastruktur in deutschen Kliniken und Praxen nicht vorhanden ist. So müssen zum Beispiel Impfungen immer noch händisch in in einen Ausweis eingetragen werden. Und das im Jahr 2019 …

Gesundheitsminister Spahn, Krankenkassen und Ärzte haben sich auf ein Grundkonzept für eine elektronische Patientenakte geeinigt. Bis spätestens 2021, in Worten – zweitausendeinundzwanzig! -, sollen gesetzlich Versicherten endlich elektronische Patientenakten zur Verfügung stehen. Wie genau dieses System aussehen soll und welche Funktionen es bietet, ist allerdings noch nicht bekannt.

In Deutschland leben 14 Mal mehr Menschen und unser Krankensystem ist viel aufgesplitteter als in Dänemark. Das sollte allerdings nicht als Ausrede gelten. Digitale Systeme sind skalierbar und gemeinsame Standards helfen auf einem heterogenen Markt.

Viel mehr spielen paradoxe Ängste vor der Digitalisierung personenbezogener Daten eine Rolle. Über Facebook und WhatsApp teilen wir alle möglichen Sorgen mit der US-amerikanischen Privatwirtschaft; aber eine digitalisierte Patientenakte bei einer Körperschaft öffentlichen Rechts, wie es die Krankenkassen sind, kommt uns nicht in die Tüte. Das hemmt smarte Innovationen.

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2 Reaktionen zu “Die digitale Patientenakte – Vorbild Dänemark”

  1. Es hilft natürlich auch, dass wir in Dänemark nur 1 (eine!) Krankenkasse haben, statt 100+ in Deutschland, und das „fast überall“ Internet-Abdeckung (oft gratis WLAN) vorhanden ist, sogar in den Stadtbussen und den Straßenbahnen.