Erfolgsfaktoren im E-Commerce – Wo bleibt die Vision?

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In der fünften Auflage der gemeinsamen Studie des ECC Köln und dotSource wurde jüngst das Musikhaus Thomann als Nummer 1 der Top-Online-Shops ermittelt, gefolgt von Amazon. Ziel der Untersuchung war es Best-Practices und Gründe für den Shop-Erfolg zu identifizieren. Was können andere Shopbetreiber davon lernen und wie kann man sich heute noch differenzieren? Bewertet wurden dabei die Umsetzung von Basis- und Begeisterungsanforderungen, Bekanntheit des Shops und Kundenbindungsdimensionen. Wer es noch etwas trockener und KPI-getriebener mag, hier die Top5 (von 15) Kriterien: Liefergeschwindigkeit, Sortiment, Preis-Leistungs-Verhältnis, Produktqualität und Usability.

Na prima, denkt der BWLer, prüft besagte Kennzahlen, ordnet deren Verbesserung an und glaubt, in Kürze in der Liga der Top-Online-Shops mitspielen zu können. Pustekuchen! Begeisterungsanforderungen von heute sind die Basisanforderungen von morgen – und im digitalen Zeitalter ist „morgen“ nicht im kommenden Jahrzehnt oder nächstes Jahr, sondern buchstäblich „morgen“. Me-too-Ansätze können diese Anpassungsgeschwindigkeit nicht leisten. Wer nicht nur reagieren und getrieben sein will, braucht mehr denn je eine Vision von und für „morgen“. Bei Thomann und Amazon heißt das „Kundenzufriedenheit“. Doch ist es wirklich so einfach?

Kundenzufriedenheit ist eine Basisanforderung

Zugegeben, Kundenzufriedenheit ist eine Black-Box. Indikatoren, wie sie die Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce“ benennt, sind eine Hilfe für die meisten Shopbetreiber. Was derartige Expertisen jedoch nicht leisten, ist über den Tellerrand hinauszuschauen, denn der Kunde verändert sich ständig und mit ihm die Faktoren, die seine Zufriedenheit einstellen. Händler müssen mittlerweile sowohl ihre gesamten Business-Prozesse im Blick haben, als auch die gesamte Umwelt des Kunden während dessen Kaufreise, der customer journey. Dieses riesige Bild sinnvoll zu bewerten bedarf auch ein Hinterfragen bestehender KPIs.

Beispiel Conversion Rate: Händler stellen fest, dass ihre Shops mobile – hier meine ich Smartphones – wesentlich schlechter konvertieren, als deren Desktop-Version. Diese Erkenntnis nimmt man nun zum Anlass auf einen mobilen Kanal verzichten zu können. Leider handelt es sich um einen Trugschluss, bedingt durch mangelnde Technologie kanalübergreifenden Trackings. Doch nur, weil man nicht weiß, dass der Kunde den Händler mit einem Check-Out via Desktop belohnt, nachdem er die besten Produktinfos, Lieferzeiten und Preise mobil im selben Shop gefunden hat, heißt das nicht, dass der mobile Shop keine Relevanz hat. Es handelt sich also um eine Frage der Perspektive. Denkt der Händler seine Kanäle vom Endgerät oder vom Kunden?

Vom Kunden denken – eine Polemik

Circa 20 Milliarden Geräte erwartet man bis 2020 für das Internet-of-Things (IoT). Da staunen Händler auf Konferenzen, klatschen in die Hände und sagen: „Ich bin gespannt, wohin uns das führt.“ Und schon sind alle Grundlagen einer Vision vernichtet! Warum? Weil die angemessene Reaktion hätte lauten müssen: „Wow, lasst uns sehen, wie wir das nutzen können.“

Wenn WLAN-Kühlschränke ihren Inhalt kennen, Einkaufslisten digital geteilt werden, Rezepte für das Essen mit Freunden am Samstagabend via App recherchiert werden und alle Welt von same-day und same-hour-delivery spricht, dann kann man warten bis Amazon oder die anderen der GAFA-Ökonomie (Google, Amazon, Facebook, Apple) daraus nutzen schlägt. Aktuellstes Beispiel: Virtual Reality – auch hier bringen sich die bekannten Player in Position. Man kann, anstatt wie das Kaninchen starr vor der Schlange aufs gefressen werden zu warten, aber auch selbst bestehende Business-Modelle weiter- und neuentwickeln. Wie biete ICH meinen Kunden Rezeptvorschläge, Einkaufslisten und Lieferoptionen an, die zu ihrem Termin- und aktuellen Fitnessstudio-Ernährungsplan passen? Welche Partner und Plattformen helfen mir dabei meine Kunden vertrauensvoll und langfristig zu erreichen und zu binden? Und wie muss ICH meine Business-Prozesse dafür anpassen?

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen?

Zalando entwickelt sich zur Zeit zur Fullfilment-Plattform und Mercedes bietet Probefahrten der neuen – digitalen – E-Klasse bei Amazon an. Das kann man missgünstig mit Argwohn kommentieren oder daraus Schwung fürs eigene Business entwickeln. Das schreit nach eigenen Visionen! Wer sich gegen ein – wenngleich legitimes und erfolgreiches – Nischendasein entscheidet und wachsen will, kommt nicht umhin groß zu denken. Der Kunde teilt jede Menge Daten und erwartet Gegenleistung. Mut ist die Tugend der Stunde im interaktiven Handel.

Vision auf Rezept

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