Schluss mit Gen-Z-Stempeln & Boomer-Bashing [Kommentar]

Gen Z und Boomer
Quelle: FilippoBacci | iStock

»Kein Bock auf Arbeit, handysüchtig, überdramatisch« – Vorurteile gegen die Gen Z gibt es reichlich. Schaut man sich die TikTok Videos von Brielle Asero alias BriellyBelly123 oder Dana Rosa an, könnte man eben jene drei Vorurteile bestätigt sehen. Jedenfalls, solange man jemand außerhalb der Generation Z ist, bzw. jemand, der grundsätzlich eher zu Schwarz-Weiß-Denkenden gehört und nicht in den »Shades of Grey« des: Warum könnte das so sein? Warte mal, lass mal schauen, ob wir da was draus lernen können, unterwegs ist.

Sollte man aber nicht.

Ein Pladoyer für Grauzonen. Ein Kommentar aus der Mitte. Und viele gute Gründe für ein Wir, dass uns privat und Unternehmen wirtschaftlich voranbringt.

Mehr »Shades of Grey«, bitte

@brielleybelly123im also getting sick leave me alone im emotional ok i feel 12 and im scared of not having time to live

♬ original sound – BRIELLE

@danarosa.music ICH BIN SO FERTIG #kapitalismus ♬ Originalton – Dana Rosa

Ich geb’s zu, ich hatte bei beiden Videos mehr als nur Shades of Grey. Das war ein buntes Wechselbad an Gefühlen. Hin- und hergerissen zwischen: Dein Ernst? Komm klar. und: Ja man. Was soll das eigentlich?
Schwankend zwischen: Wie viel Taktik steckt hinter deinem Video? und Wie viel ist echt? Ändert aber nichts daran, dass mich schon auch beschäftigt, was die Ladies so fertig macht.

Zwischen den Stühlen

Mag daran liegen, dass ich generell zwischen den Stühlen sitze, zwischen Empathie für die jungen Wilden und der Nähe zu den Boomern. 1984 geboren, gehöre ich rein zahlentechnisch zu der Gen Y (geboren zwischen 1980 und 1995) – zu den Millennials – der Vorgängergeneration der Gen Z (geboren zwischen 1995 und 2012).

Gefühlsmäßig, ganz ehrlich, bin ich des Öfteren aber auch nicht so ganz weit von den Boomern (die Jahrgänge von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er).

Kommt mir jedenfalls so vor. Vor allem immer dann, wenn meine bald 16-jährige Tochter wieder mal eine Abkürzung benutzt, die ich nicht checke, oder mir leicht amüsiert einen Shortcut auf dem Handy erklärt, der für sie selbstverständlich ist.

Und die Nähe zu den Boomern?

Meine Eltern sind in den 60ern geboren. Sie wie auch ich sind nicht nativ digitalisiert wie meine Gen Z Tochter, sondern sozial. Heißt: Wir sind erst im Erwachsenalter mit Digitalisierung in Berührung gekommen statt von Geburt an. Naja oder von klein auf.

Und die Empathie für die Gen Z?

Kommt neben den Erfahrungen mit meiner Tochter auch dank der Zusammenarbeit mit meinen vielen tollen jungen Kolleginnen und Kollegen zustande, die einen ganz frischen und ja: speziellen Wind in die Büros der Digitalagentur bringen.

»Kein Bock auf Arbeit?« – Kann ich nicht bestätigen. »Handysüchtig?« – Nun gut, ohne Handy geht es ja heute nicht mehr, egal bei welcher Generation. Handypros sind sie aber definitiv. »Überdramatisch?« – Wäre übertrieben. Auf Werte bedacht. Kritisch, aber konstruktiv trifft es schon eher.

Und das ist gut so. Wie ich finde. Meine jüngeren Kolleginnen und Kollegen nehmen nicht einfach alles so hin. Sie hinterfragen. Sie denken weiter. Das mag den einen oder die andere nerven. Doch genau das ist es doch, was wir brauchen, um frisch zu bleiben. Agil. Innovativ.

Um gemeinsam Großes zu erreichen. Großes, nicht nur im Sinne von erfolgreichen Projekten und Kampagnen. Nicht nur für das wirtschaftlichem Wachstum. Sondern Großes für ein wertschätzendes, konstruktives Miteinander. Als Menschen, egal wie alt.

Ja, und auch für eine Arbeitswelt, in der wir unsere Arbeit nach unserem Leben ausrichten und nicht umgekehrt.

Diesen wichtigen Punkt bringt übrigens nicht erst die Gen Z mit in die Büros. Auch meine Generation (wie das klingt) hat viel dafür getan, ein Umdenken von Arbeit und Leben voranzutreiben. Sie war es, die vor etwa 20 Jahren die New-Work-Revolution am Arbeitsplatz angestoßen hat. Mehr Flexibilität und Freiraum, mehr Fokus auf Life-Life-Balance und auf Weiterentwicklungschancen.

Das sind Errungenschaften, zu denen Millennials in den letzten Jahren maßgeblich beigetragen haben. Wir sind also nicht nur zeitlich, sondern auch wertetechnisch der Gen Z am nächsten – der Generation, die uns, die Unternehmen noch einmal mehr daran erinnert, wie wichtig wertebasiertes Arbeiten ist.

Props für Dieter

So wie Brielle Asero und Dana Rosa. Sie greifen in ihren TikToks auf, wo es hakt. Stellen in Frage, ob das wirklich sein muss/kann, dass wir als Arbeitnehmende kaum noch Zeit für uns, unser Leben haben.

Wie es sein kann, dass man nicht genug verdient, obwohl man doch alles getan hat, was einem Millennial oder Boomer Eltern mitgegeben haben: Schule fertig machen, Abi schaffen, studieren.

Beide TikTokerinnen ernten für ihre Videos viel Kritik. Wie viele Menschen da dabei sind, die das, was Brielle und Dana so fertig macht, stillschweigend hinnehmen, aber selbst damit auch echt unzufrieden sind, können wir nur mutmaßen.

Was wir jedoch klar erkennen, sind viele Vorwürfe und Anfeindungen gegen eine ganze Generation. Gegen »diese Jugend von heute«. Hat wirklich jemand geschrieben. Was soll das bitte sein? »Diese Jugend von heute«, das ist ja mal sowas von damals.

Es gibt »diese Jugend von heute« nicht. Meiner Meinung nach ist dieser Ausdruck nicht mehr und nicht weniger als eine von Grund auf negative Haltung gegenüber jüngeren Menschen, die Dinge anders machen, als man selbst, als man es eben gewohnt ist. Ähnlich, wie »Ok, Boomer«. Ist für die Boomer sicher auch nicht cool. Bestätigen auch Lanz und Precht (beide Boomer) in einer ihrer Folgen zum Generationenkonflikt.

Doch es gibt auch andere Stimmen im Feedback-Sammelsurium der TikTok Videos.

Es gibt Menschen wie Dieter aka: @dieter.1966. Anzunehmen, dass die Jahreszahl in seinem instahandle sein Geburtsjahr repräsentiert.

Aber eben jener Boomer, Dieter, kommentiert unter all den Bashes gegen Dana, wie folgt:

» Was ist das für ein Dreck. Sind alle Rentner Nazis? Alle Ossis faul? Alle Polizisten in Chatrooms aktiv? Natürlich nicht. Wenn man so etwas fragen würde, wäre die Empörung groß. Aber gegen junge Menschen kann man hetzen? «

Zitat: @dieter.1966

Props an dich, Dieter. Danke dafür. Nix Schwarz-Weiß und Heuchlertum.

Gilt im Übrigen auch andersrum. Thema: »Ok, Boomer.« Dieter ist der beste Beweis, dass wir auch die Generation meiner Eltern nicht über einen Vorurteilskamm scheren sollten, sie nicht zu Boom – äh Buhmänner- und frauen für das alte, ausbeutende System zu machen.

Ebenso wenig wie Brielles und Danas schlimmste Breakdowns ever nur als »typisch Gen Z« abzustempeln.

Stattdessen sollten wir uns darum bemühen, zu schauen, wie wir gemeinsam weiterkommen. Denn eines ist klar: Wir werden die Gen Z brauchen. Unternehmen werden die Gen Z brauchen. Fachkräftemangel und so. Digitale Zukunft und so.

Ok Bye: »Das haben wir aber schon immer so gemacht«

Die Gen Z wird 2025

 
Raus aus Schwarz-Weiß, rein in Shaeds of Grey, in bunt, vielfältig und vielversprechend.

Die Überwindung von Gewohntem – auch und insbesondere im Kopf – fällt uns Menschen aber eben grundsätzlich schwer. Das ist unbequem. Doch unbequem ist nicht unbedingt schlecht. Im Gegenteil. Sind es doch die unbequemen Fragen, die für Reflexion sorgen können. Für Innovation.

Und genau das braucht die Arbeitswelt: Mut zur Veränderung. Im Übrigen nicht erst seit dem Arbeitseintritt der Gen Z. »Das haben wir aber schon immer so gemacht« ist dementsprechend auch für die Einstellung zu und den Umgang mit Mitarbeitenden kein Argument. Mehr noch ist dieses Mindset geschäftsschädigend. Denn Unternehmen sind darauf angewiesen, sich den Erwartungen der nachfolgenden Generationen zu stellen und sie mit den eigenen Werten und Zielen zu vereinbaren.

 

»Die jungen Wilden« leisten einen enormen Beitrag dazu, dass sich der soziale Arbeitsvertrag zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden verschiebt. Sie haben klare Erwartungen an ihre potenziellen Arbeitgebenden, die ideale Arbeitsumgebung und die richtige Kultur.

Die Gen Z legt besonderen Wert auf einen Job, in dem sie glücklich ist, sich entfalten und verwirklichen kann, dabei aber auch noch genug Zeit hat, um zu leben. Anstatt das mit faul, nicht belastbar oder unbeständig abzuwerten, sollten wir, sollten sich insbesondere Arbeitgebende eher darauf konzentrieren, sich von Problemnarrativen und Stereotypen zu lösen.

Eine aktuelle Studie unter der Gen Z in Deutschland spricht nämlich eine andere Sprache:

  • Mehr als 80 % sind beispielsweise bereit, die Extrameile im Job zu gehen – in Form von Überstunden oder Erreichbarkeit nach Feierabend.
  • Mehr als die Hälfte wünscht sich eine solide berufliche Karriere.
  • 60 % würden mehr als zehn Jahre im gleichen Unternehmen bleiben, wenn sie sich dort wohlfühlen.

 
Erneuter Beleg dafür, dass kein Bock auf Arbeit kein berechtigtes Vorurteil ist.
Schluss mit Stempeln. Schluss mit Bashing. Egal für/gegen welche Generation.

New Work auf der Handelskraft Bühne

HK2024_CTA_HandelskraftWie wir die Arbeitswelt von morgen groß machen, wertebasiert und wirtschaftlich erfolgreich, zeigen euch die Speaker der Handelskraft Konferenz 2024. Gemeinsam mit Stefan werde ich auch nächstes Jahr wieder im Kunstkraftwerk Leipzig auf der Bühne stehen und viele geniale Menschen dort begrüßen. Seid dabei.
Wir freuen uns auf euch.

Auf alle von euch 😉

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