Microservices richtig nutzen: Die Route zur eurer zukunftsfähigen Systemlandschaft

Eine Frau steht an einer Straße und hat eine digitale Karte auf dem Smartphone geöffnet.
Verzichtet auf einen starren Architektur-Fahrplan und gestaltet eure Route flexibel mit Microservices. Quelle: dotSource

Euer Unternehmen steht ständig vor neuen Anforderungen. Kunden erwarten individuelle Erlebnisse, neue Märkte erfordern schnelle Anpassungen und technologische Innovationen drängen in immer kürzeren Zyklen auf den Markt. Und eure bestehende IT-Landschaft? Die ist für diese Dynamik nicht ausgelegt. Denn komplexe Abhängigkeiten, langwierige Entwicklungszyklen und hohe Risiken bei Änderungen bremsen Innovationen aus. 

Microservices bieten euch einen anderen Ansatz. Statt sich an einen starren Architektur-Fahrplan halten zu müssen, könnt ihr einzelne Funktionen flexibel, unabhängig und passgenau entwickeln. So entsteht eine Systemlandschaft, die sich kontinuierlich an neue Anforderungen anpassen lässt und Wachstum langfristig ermöglicht. 

Lohnt sich dieser Weg auch für euer Unternehmen? In diesem Artikel klären wir die wichtigsten Fragen, werfen einen kritischen Blick auf den Reality Check und geben Tipps, wie euch der Einstieg gelingt.

Was sind Microservices?

Moderne Software-Architekturen müssen heute vor allem eins sein: flexibel. Microservices, als Bestandteil von MACH-Architekturen, helfen dabei, komplexe Anwendungen in kleine, eigenständige Dienste zu zerlegen. Statt alle Funktionen zentral in einem großen monolithischen System zu bündeln, übernimmt jeder Microservice einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich. Zum Beispiel die Produktsuche, den Check-out oder das Kundenprofil. Diese Module kommunizieren über Programmierschnittstellen sogenannte APIs (Application Programming Interface). Sie sind technisch voneinander unabhängig. Das ermöglicht parallele Entwicklung, schnellere Updates und eine deutlich höhere Skalierbarkeit. Ganz ohne riskante Eingriffe in das Gesamtsystem. 

Microservices Vorteile: Warum lohnt es sich, auf Microservices zu setzen?

  • Kurze Time-to-market: Features und Funktionen lassen sich relativ einfach hinzufügen. Somit schließt ihr Entwicklungszyklen und Updates wesentlich schneller ab. 
  • Bessere Skalierbarkeit: Steigt der Bedarf für einen bestimmten Service, könnt ihr diesen flexibel über mehrere Server und Infrastrukturen hinweg implementieren. 
  • Resiliente Infrastrukturen: Da die Services unabhängig voneinander entwickelt sind, hat der Ausfall einer Komponente keinen Einfluss auf das gesamte System. 
  • Individuelle Entwicklung: Die APIs, über die einzelne Microservices kommunizieren, sind sprachunabhängig. Daher kann euer beteiligtes Entwicklungsteam verschiedene Stacks und Programmiersprachen nutzen. 
  • Agile Zusammenarbeit: Einzelne Elemente einer Anwendung könnt ihr getrennt voneinander entwickeln. So ist es möglich, dass mehrere Teams gleichzeitig an einem Projekt arbeiten, ohne sich gegenseitig einzuschränken. 

Monolith vs. Microservices: Architektur im Vergleich

Ob Microservices für euch der richtige Weg sind, hängt stark von euren individuellen Anforderungen, Prozessen und Teams ab. Dem Microservices-Ansatz stehen monolithische Systeme gegenüber. Beide Architekturansätze bringen Stärken und Herausforderungen mit sich. Der folgende Vergleich zeigt die wesentlichen Unterschiede und hilft, besser einzuordnen, welcher Ansatz zu eurem Vorhaben passt. 

Moderne Architekturansätze könnt ihr auch kombinieren. Viele Unternehmen setzen auf einen hybriden Ansatz: ein zentraler Kern (Monolith), der über APIs mit spezialisierten Services (Microservices oder SaaS-Lösungen) ergänzt wird.

Microservices im Reality Check

Microservices versprechen viel: mehr Flexibilität, schnellere Releases, bessere Skalierbarkeit. Und ja, das können sie auch leisten. 

Aber sie sind kein Selbstläufer. Bevor ihr euch für eine Microservices-Architektur entscheidet, solltet ihr prüfen, ob euer Setup – technisch und organisatorisch – darauf vorbereitet ist. Denn nicht jede Herausforderung ist rein technisch. 

Kosten, Komplexität, Kompetenz: Was ihr über Microservices wissen solltet

  1. Der Einstieg ist komplexer, als viele denken. Die Aufspaltung einer bestehenden Anwendung in Microservices ist kein »Plug-and-Play«. Ihr braucht ein klares Architekturkonzept, stabile APIs, Monitoring und Deployment-Prozesse. All das bedeutet: Aufwand, vor allem am Anfang. 
  2. Ihr brauchst starke, eigenverantwortliche Teams. Jeder Microservice entsteht eigenständig und wird anschließend betrieben und weiterentwickelt. Dafür braucht ihr interdisziplinäre Teams, die Verantwortung für »ihre« Services übernehmen, inklusive Testing, Betrieb und Monitoring.
  3. Cloud-Infrastruktur ist kein Nice-to-have. Microservices entfalten ihr volles Potenzial im Zusammenspiel mit einer modernen Infrastruktur. Dazu gehören u.a.:  
    • Containerisierung: Anwendungen werden in kleine, abgeschlossene Einheiten (Container) verpackt, die überall gleich funktionieren. Unabhängig vom Server oder Betriebssystem. 
    • CI/CD: Automatisierte Prozesse sorgen dafür, dass neue Funktionen schneller entwickelt, getestet und ohne Unterbrechungen ausgerollt werden können. 
    • Logging: Zentrale Protokollierung aller Systemaktivitäten, um Probleme frühzeitig zu erkennen und nachzuvollziehen. 
    • Alerts: Automatische Warnmeldungen, die bei Störungen oder kritischen Systemereignissen sofort informieren. 
  4. Der technische Aufwand ist anfangs höher. Langfristig kann euch eine fein justierbare Skalierung einzelner Services jedoch helfen, Ressourcen effizienter zu nutzen und so auch laufende Kosten zu optimieren. 
  5. Sicherheit ist kein Selbstläufer. Je mehr APIs im Spiel sind, desto größer wird die Angriffsfläche – sowohl bei Microservices als auch bei monolithischen Systemen. Ihr solltet daher frühzeitig in Security-by-Design, API-Management und Identity & Access Management (IAM) investieren, besonders bei sensiblen Daten. 

MACH-Architektur: Wenn Microservices auf API, Cloud und Headless treffen

Microservices sind kein isoliertes Konzept. Durch das Zusammenspiel der MACH-Prinzipien (Microservices, API-first, Cloud native, Headless) ist es möglich, sehr flexibel auf neue Kundenanforderungen zu reagieren. 

Die volle Stärke entfalten Microservices im cloudnativen Umfeld. Hier werden sie nicht auf starren Servern betrieben, sondern auf flexiblen, skalierbaren Plattformen wie Kubernetes, das automatisch verwaltet, wie viele Ressourcen benötigt und wo die einzelnen Anwendungen ausgeführt werden. Jeder Service lebt dabei in seinem eigenen Container mit eigener Infrastruktur. Das ermöglicht maximale Unabhängigkeit und Skalierbarkeit. 

Gerade in dynamischen Geschäftsfeldern wie dem E-Commerce ist das ein Gamechanger: Neue Services lassen sich in Minuten statt Wochen ausrollen, Lastspitzen intelligent abfedern, globale Märkte gezielt bedienen. 

Eine typische Microservices-Systemarchitektur

Grafik, die den Aufbau einer Microservices-Architektur beschreibt.
Aufbau einer Microservices-Architektur. Quelle: dotSource

Die Grafik zeigt euch beispielhaft, wie sich eine Microservices-Architektur zusammensetzt. Sie lässt sich in die Ebenen Present, Process und Persist unterteilen, auch Presentation-, Business- und Data-Layer genannt. 

In Present erfolgt die Darstellung der Daten. Informationen wie Produktdaten und -bilder werden auf der vom User gewählten Benutzeroberfläche angezeigt. 

Die Ausführung der Geschäftslogik bzw. der Datenverarbeitungsprozesse findet in der Process-Ebene statt. Hier sind eure Microservices angesiedelt, die über APIs mit der Present-Ebene verbunden sind. 

In der Ebene Persist werden die Daten, die von Microservices verarbeitet werden, gespeichert und verwaltet. Das sind z.B. CMS, ERP-, CRM– oder PIM-Systeme.  

In eurem Onlineshop könnte der Einsatz von Microservices so aussehen: 

  • Ein (potenzieller) Kunde besucht eine Produktseite und findet dort die verfügbaren Größen, Farben sowie ein Foto eures Artikels. 
  • Diese Informationen bezieht ein Microservice aus den angebundenen Systemen – der Persist-Ebene. Das sind z.B. Preise aus dem ERP-System oder Produktdaten aus dem PIM-System. 
  • Auf der Produktseite befindet sich zudem der Button »In den Warenkorb«. Klickt euer Kunde auf diese Schaltfläche, so führt ein Microservice in der Process-Ebene die Aktion aus und befüllt den virtuellen Einkaufswagen mit dem jeweiligen Artikel. 

So gelingt euch der Einstieg in die Microservices-Welt

  1. Fangt klein an. Wählt einen Use Case mit klarem Business-Impact. Das könnte z.B. die Suche oder Bestellabwicklung sein, die ihr über einen Microservice umsetzt. 
  2. Setzt auf API-first. Auch in monolithischen Systemen könnt ihr neue Module API-basiert entwickeln. 
  3. Holt euch Expertise ins Haus. DevOps – also die enge Verzahnung von Entwicklung (Development) und Betrieb (Operations) – ist kein IT-Buzzword, sondern die Grundlage für eine erfolgreiche Microservices-Umsetzung
  4. Denkt iterativ statt revolutionär. Modernisiert Schritt für Schritt, statt auf einen »großen Wurf« zu setzen. 

Microservice Beispiel: Wie der Verlag C.H. Beck neue Wege geht

C.H. Beck gehört zu den traditionsreichsten Fachverlagen Deutschlands. Doch auch bei etablierten Größen wachsen die Anforderungen: komplexe Datenmodelle, wechselnde Kundengruppen, Millionen von Produkten.  

Die bestehende Plattform kam an ihre Grenzen. Neue Features zu integrieren, dauerte lange. Updates waren riskant und Innovationen kaum agil umsetzbar. Die Lösung: eine Microservices- und Cloud-Strategie, die Freiräume schafft. 

Zukunftsfähige Shop-Architektur mit commercetools

Um die Anforderungen an Flexibilität und Skalierbarkeit zu erfüllen, setzte der Verlag auf die Commerce-Plattform commercetools und eine Cloud-Infrastruktur in Microsoft Azure

Rund 100 Microservices bilden heute die Prozesse des Onlineshops ab. Darunter Standard-Services wie Warenkorb und Checkout von commercetools sowie individuelle Entwicklungen für spezifische Anforderungen. Drittsysteme (z.B. CMS, Marketing Automation) sind nahtlos per API angebunden. 

Statt eines starren Kerns arbeitet der Onlineshop heute modular. Jeder Service lässt sich bei Bedarf anpassen, skalieren oder erweitern. Und das ohne Risiken für den Livebetrieb. 

Dank der Microservices-Architektur laufen Deployments ohne Downtimes, lassen sich Funktionen schnell anpassen und erweitern und wird schlanker Code effizient verarbeitet. Gerade bei Millionen von Produktdaten führt diese Flexibilität zu einem Wettbewerbsvorteil und schafft die Grundlage für künftiges Wachstum. 

Im Video bekommt ihr einen kurzen Einblick ins Projekt und in die Vorteile der API- und cloudbasierten Lösung mit commercetools.

Microservices & Cloud: Effizienz auch hinter den Kulissen

Neben der Software-Architektur wurde auch die Infrastruktur modernisiert: Microsoft Azure löst die interne Hosting-Plattform ab. Durch die Cloud-Umgebung spart der Verlag Kosten und gewinnt zusätzliche Flexibilität beim Datenmanagement. 

Die Vorteile: 

  • skalierbare Speicher- und Netzwerkressourcen via Kubernetes und Azure-Funktionen 
  • Microservices tauschen über APIs gezielt Daten aus – das erleichtert die Anbindung externer Systeme und vereinfacht die Datenverarbeitung 
  • agilere Verarbeitung wechselnder Produktdaten 
  • einfacher Datenaustausch mit Kunden und Großhändlern 

C.H. Beck ist heute so beweglich, wie es das digitale Geschäft erfordert. 

Neue Features? Lassen sich schneller entwickeln und ausrollen. Deployments? Einfacher, sicherer, flexibler. 

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Fazit: Microservices – nicht für alle, aber vielleicht genau für euch

Microservices sind ein mächtiges Architekturprinzip, das euch hilft, flexibler, skalierbarer und zukunftsfähiger zu werden, wenn es zu eurer Strategie passt. 

Ihr solltet über den Einsatz von Microservices nachdenken, wenn  

  • ihr schnelle Innovationszyklen braucht, 
  • eure Teams agil arbeiten, 
  • ihr unabhängig skalieren wollt, 
  • eure bestehende Plattform euch eher bremst als beschleunigt. 

Den Weg dorthin solltet ihr gut planen. Es braucht API-Kompetenz, DevOps-Mindset, ein sauberes Datenmodell und klare Zuständigkeiten. 

Microservices sind nicht die Abkürzung, sondern eine durchdachte und gut geplante Route. Ob ihr wie C.H. Beck Schritt für Schritt modernisiert oder von Anfang an auf MACH setzt, entscheidend ist, dass ihr startet. 

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Über Birthe Struffmann

Birthe hat Wirtschaftswissenschaften und BWL mit Schwerpunkt Marketing studiert. Eine gute Kombi, wenn es darum geht, digitale Trends kritisch zu hinterfragen. Ihre tägliche Arbeit mit Expertinnen und Experten aus dem Digital Business ermöglicht es ihr, ihr Wissen ständig zu erweitern und mit euch hier auf Handelskraft und im jährlich erscheinenden Handelskraft Trendbuch zu teilen.

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