Wie hat man Social Commerce zu verstehen (2)?

Es ist schon allerhand passiert auf E-Commerce-Webseiten, jedoch begegnen wir nur allzu oft digitalen Verkaufsregalen, die man aus dem Einzelnhandel kennt oder eben statische Produktkataloge. Warum? Eine Erklärung und damit eine einhergehende Gegenwartsanalyse lieferte vor kurzem Matthias Schrader, CEO von SinnerSchrader, auf dem Social Commerce Forum 2009.

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Die Ausführungen Schraders zum ersten Trend („Renaissance im E-Commerce“), sind besonders interessant: Nachdem erste Konzepte („[…] aufgrund fehlender Masse bei den Kunden im Netz […]“) zu Zeiten der New Economy scheiterten (heute jedoch wieder ausgepackt werden) und bis 2006 so gut wie vom Markt verschwunden waren, befinden wir uns nun wieder in einer Investitions- und Experimentierphase, in der man zögerlich Mut zeigt. Das gilt für bestehende, verschwundene und einige neue Anbieter in diesem Segment.

Die Anfänge sehen standardmäßig so aus, dass man für den Kunden unten Platz einrichtet um Kommentare, Bewertungen oder Rezensionen schreiben zu können.

Diese standardmäßige Aufteilung sagt „Hier sind unsere Produkte, such dir was aus und drück den Kaufen-Button. Gerne darfst du dich unten drunter über alles Mögliche mit anderen unterhalten.“

Unter diesen Umständen hat sich noch nicht viel geändert, wenn ich den sterbenden Katalog als Vergleich heranzitiere, außer eben verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten. Die Erwartung an interaktiven Erfahrungen beim Einkaufen ist noch sehr rudimentär und steht beim absoluten Großteil der deutschen Onlineshops noch weit hinter dem gängigen Kundenservice/Kundensupport, der einen Dialog nach dem Einkaufen für den Kunden anbietet: „Haben Sie ein Problem mit ihrer Bestellung, dann bitte hier entlang.“ Oder aber man holt sich Rat in einem shopeigenen Forum
Letzteres funktionierte in der Vergangenheit und auch jetzt noch, allerdings ändert sich jenes mit steigenden Bedürfnis und Erwartungen (Quelle: Studie „E-Commerce in Deutschland – privates Konsumverhalten im Online-Shopping“):

  • 72 Prozent der Befragten (obig verlinkte Studie mit mehr als 1000 Teilnehmern) empfinden das Kauferlebnis im Bereich Online-Shopping als unspektakulär und langweilig.
  • 56 Prozent der Befragten wünschen sich ein Einkaufserlebnis, dessen Fokus mehr auf Entertainment liegt.
  • 45 Prozent der Nutzer vermissen eine interaktive Möglichkeit in das Einkaufsgeschehen einzugreifen.
  • 68 Prozent sind sofort bereit, andere Portale mit höherem Spaßfaktor beim Online-Shopping aufzusuchen und dem bisher besuchten den Rücken zu kehren.

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[Grafik und Impuls: jeremymeyers.com]

Dass sich der E-Commerce an neuen Kanälen wie Twitter noch (und auch in naher Zukunft) die Zähne ausbeißt und Online-Marketeers Kopfzerbrechen bereitet, ist da nur das kleinere Übel. Allerdings sind diese Versuche vorteilhaft, denn gerade auf Plattformen wie Twitter lernt man, dass ein neues kommunikatives Modell Fuß fasst:

Statt B2C erleben wir ein gefühltes „BwithC“, das Kommunikation gleichwertig strukturiert. (Angefacht durch Facebook, Twitter und so weiter.)

Der E-Commerce/Social Commerce steht damit vor der gewaltigen Gelegenheit Geschmack, Mitwirkung und Persönlichkeit der Kunden in sich zu integrieren. Das bedeutet eben auch, dass der Kunde an das Ende des Design-Prozesses und der User-Experience gehört.

Jeremy Meyers bringt dazu ein wirklich fantastisches Beispiel:

Wir kennen ja diese postkartenähnlichen Produktregistrierungs-Karten, die z.B. einem neuen Drucker oder Fernseher beiliegen. Haben diese Karten irgendeinen Wert für uns, wenn wir diese ausfüllen? „Selten“ wäre die Untertreibung des noch überaus jungen Jahrhunderts. Vielleicht könnte man jene Registrierungskarten derart ändern, sodass man dem Kunden eine eindeutige ID anbieten kann, die man dazu benutzt Traffic auf eine spezielle Seite zu führen: Ein Low-Investment-Affiliate-Programm. Wenn ich andere Nutzer (und potentielle Kunden) so beispielsweise auf eine individuelle Seite, à la „shopname.de/kunde/handelskraft“, schicken und auch individuell anpassen kann, was andere dort sehen können (Modell-Nummer, Rezensionen, Bewertungen, Links, etc.), dann hat mich der Onlineshop als Kunde involviert und einen neuen Traffic-Kanal zu seiner Seite gestaltet.

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Kann der E-Commerce von Twitter profitieren?

Die Online-Marketing- und E-Commerce-Analysten von Hitwise haben den Twitter-Traffic untersucht und sind zu einigen erwähnungswürdigen Ergebnissen gekommen (die Untersuchung beschränkt sich auf den Raum Großbritannien). Welche Bereiche profitieren besonders von Twitter als Traffic-Quelle? Nun, besonders viel Traffic fällt auf Unterhaltungsseiten (Entertainment), soziale Netzwerke und Nachrichtenseiten (News & Media) ab, mehr noch als über Google. In Großbritannien liegt Twitter mittlerweile auf Platz 30 der größten Trafficlieferanten, so berichtet heute auch das t3n-Magazin:

» Veranschaulicht ausgedrückt kam einer von 350 Besuchern einer ‚typischen‘ Webseite von Twitter. Zu diesen ‚typischen‘ Webseiten gehören vor allem andere Social Networks, Blogs, sowie Nachrichten- und Unterhaltungsseiten. «

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Onlineshops hingegen profitieren trotz immenser Wachstumszahlen des Microblogging-Dienstes kaum von Twitter. Während 55,9 Prozent des bei Twitter ausgehenden Traffics auf die drei führenden Kategorien (Entertainment, Social Networks, News & Media) abfällt, kommt der E-Commerce nur auf 9,5 Prozent. So sieht es zumindest in Großbritannien aus. Es ist anzunehmen, dass diese Analyse (und diese Zahlen) zumindest eine grobe Ähnlichkeit mit der deutschen Twitter-Traffic-Verteilung haben müsste.

Das t3n-Magazin ist der Ansicht, dass der E-Commerce den Twitter-Trend verschlafen bzw. unterschätzt hat. Ich weiß nicht, ob ich dieser Einschätzung zustimmen kann. Besonders Dell als Beispiel anzubringen, dass man auch den Vertrieb via Twitter ankurbeln kann, halte ich für fragwürdig. Wie bereits berichtet, hat Dell zwar drei Millionen via Twitter „umgesetzt“, jedoch summiert sich dieser Umsatz aus zwei Jahren (das letzte halbe Jahr besonders) und insgesamt 34 verschiedenen Dell-Twitter-Accounts.

Um via Twitter Umsätze zu generieren, benötigt eine Marke Fans oder Interessenten. Diese auf Twitter zu generieren, ist eine schwierige Aufgabe. Dass Dell schon ein kleines bisschen Umsatz generiert hat, zeigt auch wie schwer dieses Unterfangen ist. Dell ist eine bekannte Marke, wie sollen sich kleinere oder mittlere Onlineshops hingegen positionieren?

Wie versammelt ein Unternehmen Kunden um sich herum? Sind Twitterer überhaupt eine geeignete Zielgruppe? Es ist doch anzunehmen, dass die meisten auch online einkaufen. Ich sehe das nicht so, dass der E-Commerce diese Entwicklung verschläft oder unterschätzt. Twitter ist als Plattform einfach noch nicht flexibel genug. Es ist noch viel zu früh, auf große Umsätze via Twitter zu hoffen.

Des Weiteren haben sich Onlineshops auch bereits in Social Networks eingeklingt, beispielsweise Brands4Friends bei studiVZ. E-Commerce ist besser in Social Networks aufgestellt, als die britische Analyse vermuten lässt.
In einem Punkt, stimme ich t3n zu:

» In der nahen Zukunft werden wir sicher vermehrt Versuche aus dem E-Commerce sehen, die darauf abzielen, via Twitter Umsätze oder in einem ersten Schritt Besucherzahlen zu generieren. «

Wie? Das bleibt beim derzeitigen technischen Stand noch unmöglich bzw. kaum messbar. Ja, man kann möglicherweise Kunden mit exklusiven Angeboten locken, die beispielsweise nicht auf dem Onlineshop einsehbar sind. Aber auch hier kann sich das Gleichgewicht schnell negativ verlagern. Und seinen Vertrieb auf Twitter umzustellen, halte ich derzeit für sehr unvernünftig.

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Wie hat man Social Commerce zu verstehen?

Für das künftige (Online-)Marketing wird Social Commerce als nächster Schritt im E-Commerce besonders knifflig werden. Das Problem ist, dass wenn die Architektur und der Inhalt des Begriffs Social Commerce für viele Unternehmer aus dem Onlinehandel noch unausgegoren und unverständlich sind, wie sollen dann die Kunden auf diese Entwicklung reagieren? Tatsache ist, dass Kunden beim Onlineshoppen bereits voll in der praktischen Materie des Social Commerce stecken. Es sind die Shops und die verständlicherweise überforderten Marketeers, die meiner Meinung nach hinterher hängen.

Dass Onlineshops irgendwie darauf reagieren, zeigt sich in der Einführung zahlreicher Features, die dem Einkaufen eine soziale Komponente verpassen. Das ist schön und gut, dennoch ist es wichtig, dass das nicht das Ende war und dass man sich nicht in Sicherheit wiegen sollte, nur weil es jetzt neue boomende Geschäftsmodelle gibt wie Liveshopping-Portale oder Shopping-Clubs. Das reicht nicht.

Und insbesondere das Marketing hat hier zu kämpfen. Ja, Twitter zu nutzen, Xing-Kontakte zu pflegen oder sämtliche technischen Neuheiten im Blickfeld zu haben, damit man keine Facette des Trend-Zeitalters verpennt, ist sehr wichtig. Social Commerce bedeutet in jedem Fall nicht nur geile und billigere Produkte anzubieten und dabei einen Unterhaltungsfaktor für den Kunden bereit zu stellen, es bedeutet, dass das Zuhören noch wichtiger als Twitter und alle anderen Tools ist, zu denen jetzt neue Marketing-Strategien produziert werden. Es wird gesagt, dass man über diese Tools am besten zuhören kann, viele nicken das einfach ab und die wenigsten wissen damit mehr über Social Commerce. Im Gegenteil, Twitter wird recht selten mit Social Commerce in Verbindung gebracht und das zu Recht. Denn die wenigen, die in Deutschland aktiv twittern, wie viele davon sind Onlineshopper und wie viele nutzen Twitter dazu, um von Shops oder Agenturen erhört zu werden?

Eine sehr wichtige Frage, wie ich finde. Hier hat die Angst, irgendwelche Trends zu verschlafen, ihre Sollbruchstelle.

Social Commerce muss zukünftig ausschließlich aus der Kundenperspektive verstanden werden, und das heißt auch, sich unangenehmen Fragen zu stellen. Jochen Krisch von excitingcommerce.de liefert in seiner letzten Internet World Business-Kolumne (13/09) unter dem Titel „Das Ende der Tradition“ einige interessante Hinweise. Die Trendstudie „Webshopping 2009„, von Quelle im Mai herausgegeben, hat neben vielen Bestätigungen bezüglich der eingesetzten Features (Bewertungen, Empfehlungen, etc.) auch ergeben, dass Kunden zwar großen Wert auf Sicherheit und Seriosität von Onlineshops legen, jedoch haben Werte wie die Bekanntheit eines Shops, die Identifikation mit einer Marke keinen Einfluss mehr darauf, ob sich ein Kunde lange an einen bestimmten Shopanbieter binden möchte, so wie es früher noch der Fall war als man Kataloge gewälzt hat (liebe Grüße an Otto, Quelle und Neckermann). Dennoch gilt die machbare Devise, man sollte und könnte Kunden zu Fans, und im allerbesten Fall andersrum, Fans zu Kunden machen.

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Einzelne genannte Features, wie Empfehlungen und Bewertungen, die jetzt vor den Social Commerce-Wagen gespannt werden, stammen aus dem Zeitalter des Web-2.0s, ein Begriff – das ist auch ein Trend – der sich mittlerweile einer großen Unbeliebtheit erfreut. Social Commerce: die Summe aus Web-2.0 und E-Commerce?

Heute und in Zukunft wird Social Commerce so ablaufen: Ein Kunde gestaltet nach seinen Vorstellungen ein Produkt, benutzt dazu Tools und Werkzeuge auf Onlineshops, erstellt User Generated Content, empfiehlt und bewerten, konsumiert ebenso solche Empfehlungen und Bewertungen und sagt dann „Das ist das Produkt, das ich haben will. Welcher Shop kann mir das herstellen lassen und verkauft es mir dann billig?“. Ja, der gegenwärtige (nicht der zukünftige, wie oftmals falsch gedeutet) Online-Kunde will kontrollieren, sich und andere vernetzen und Inhalte bestimmen und auch selber erstellen. Das Ziel der Online-Shops und Unternehmer muss sein, ihn dieses machen zu lassen, um sich dann mit diesen Ergebnissen zu vernetzen.

Und in einer guten, aufgeklärten und ehrlichen Welt, sollten Marketeers daraus resultierende Erkenntnisse teilen. Auf Twitter. B2B. Ob es dazu einer Strategie bedarf (also ein Marketing-Modell für Twitter), wie sie derzeit von Jedermann entwickelt wird, ist fraglich. Viel wichtiger ist, dass man sicherstellt, dass die Strategie Kunden zuzuhören und machen zu lassen, positive Auswirkungen hat. So lernt man möglicherweise Social Commerce zu verstehen. Social Commerce verstehen heißt Kunden zu verstehen.

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Fünf Tipps zur Erhöhung der Kundenbindung durch Social Commerce

Im Marketing-Ressort der Gründerszene ist vor wenigen Tagen ein Beitrag von Christian Grötsch, Geschäftsführer der Social-Commerce-Agentur dotSource, veröffentlicht worden, der fünf Tipps zur Erhöhung durch Social Commerce liefert: Auf Fragen wie man beispielsweise Besucher aktiviert, Kunden ganz selbstverständlich zu Experten macht und diese damit zur Mitarbeit anregt, wird in diesem Artikel ebenso eingegangen, wie auf Fragestellungen, die sich mit dem Kennenlernen von Kunden oder die optische Aufwertung des Onlineshops auseinandersetzen.

Und wieso diese Maßnahmen fließend ineinander greifen müssen. Nur mal als kleine Empfehlung.

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E-Book: Social Marketing Playbook (56 Seiten)

ebookWirklich sehr lesenswert ist das Social Marketing Playbook (56 Seiten), das sich in acht Punkten damit beschäftigt, wie man sich am besten strategisch an Social Marketing annähert und die Umsetzung dessen erfolgreich absichern kann. Es werden weiterführend Einführungen zu Plattformen gegeben und wie man seine Marke am besten an die Bedürfnisse der Nutzer solcher Plattformen (Bsp. Facebook, YouTube, Twitter, Friendfeed, Quub, aber auch Mobile Applications) kommuniziert und orientiert.

Dieses E-Book ist als ein Schlüssel zu betrachten, der von Marketing-Fachleuten für Marketing-Fachleute geschrieben wurde, um der Entwicklung der neuen radikalen und sich schnell ändernden Kundendynamik mithilfe traditioneller Marketing-Planungstechniken unterstützend entgegen zu treten. Diese Kundendynamik findet im Bereich der Social Media statt. Das Social Marketing Playbook verschiebt seinen Fokus scharfsinnig vom Gerüst des aufnehmenden Social Marketings zu einer neuartigen allgemeinen Marketing-Strategie, in der alles eingefasst wird.

Helfen soll dieses E-Book besonders Marketing-Fachleuten. In folgenden Punkten:

  1. Das Anbieten eines Gerüstes um eine Reihe von klaren Zielsetzungen für eine Social Marketing-Strategie aufzubauen.
  2. Das Bewegen jenseits von Checklisten-Ansätzen und das Anbieten eines Filters um die Vielzahl von Möglichkeiten und Plattformen auszuwerten.
  3. Wie man sich Social-Marketing als eine Möglichkeit erschließt, mit den eigenen Kunden in einen beständigen und wertbringenden Dialog und Austausch zu treten.
  4. Welche Erweiterungen man in Erwägung ziehen muss, um Offline-Kampagnen weiter auszuführen.

Wirklich sehr lesenswert.

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Froodies.de: Lebensmittelversand im Internet

froodiesLebensmittelversand über Internet? In Deutschland gibt es seit März dieses Jahres einen neuen Versuch dazu: das Dortmunder Startup froodies.de, das sich momentan in der Beta-Phase befindet.

Das Konzept:
Froodies hat einen Dortmunder Lebensmittelhändler an der Strippe. Geht auf froodies.de eine Bestellung ein, so wird auf dessen Sortiment zurückgegriffen. Das ist an sich wirklich gut, da man sich so Investitionen in ein eigenes Lebensmittellager sparen kann. Logistisch lief es bisher so, da man frisch liefern muss, wurde bisher nur der Dortmunder Raum mit Frischwaren beliefert.
In Restdeutschland konnte man dennoch Waren bestellen, die nicht gekühlt geliefert werden müssen. Aber man arbeitet bereits an einem Konzept (könnte man sich auch bei Saftfabrik.de abschauen; die haben sich diesem logistischem Problem bereits erfolgreich angenommen). Geliefert wird in Dortmund dreimal am Tag, wer vor 12 Uhr bestellt, hat abends 18 Uhr seine Bestellungen (oder sagen wir besser Einkäufe) an der Tür. Die Preise und Lieferpreise sind überraschend günstig: 4,90 Euro Versand im Dortmunder Raum, 6,90 Euro in Restdeutschland. Das ist okay.

Aber wozu das alles? Spannend ist diese Idee nicht, geht es hier um den gewöhnlichen Lebensmittelerwerb. Lutz Preußners, Gründer von froodies.de (zusammengesetzt aus „fresh food deliveries“), äußerte sich deutsche-startups.de gegenüber folgendermaßen:

Der Versand von Lebensmitteln ist das letzte große Potential, das im Online-Bereich noch nicht bedient ist. «

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Zwei Dinge seien hierzu angebracht: Es gibt, erstens, schon eine ganze Reihe von Anbietern, die Lebensmittel über das Netz vertreiben, überwiegend natürlich Selbstmix-Portale wie MyMuesli, Saftfabrik oder Chocri. Ob diese Portale momentan profitabel arbeiten bzw. eine Aussicht darauf haben, ist noch mal ein ganz anderes Paar Schuhe. Qualitativ sind diese jedoch top. Und zweitens: Der Bereich des richtigen Lebensmittelversandes, wie es froodies.de anpeilt, gab es bereits mal. Erfolglos. Die Handelskette Tegut unternahm 2001/2002 bereits einen großen Versuch, der aber recht schnell wieder eingestampft wurde. Tegut ist mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro kein Leichtgewicht.

Was liegt also näher als das Argument: Das war 2002 so, wir haben jetzt 2009. Ja, das Internet ist mittlerweile in fast allen Bevölkerungsgruppen populär geworden, aber reicht das aus, um dem Supermarkt an der Ecke Konkurrenz zu machen bzw. um erfolgreich mit so einer Idee zu werden? Ich persönlich glaube nicht daran. Und auch die Begründungen des froodies-Geschäftsführers klingen leicht gutgläubig:

» Wir geben Menschen die Möglichkeit, sich in ihrer Freizeit mit schönen Dingen zu beschäftigen anstatt mit Einkaufen!“ – „Mein Opa surft im Internet und ist längst keine Seltenheit mehr in dieser Generation! «

Und sich dann im Ausland an funktionierenden Vorbildern zu orientieren halte ich für gefährlich, insbesondere den USA-Dienst freshdirect, die anders als tegut, seit mehreren Jahren im New Yorker Raum konstant geblieben sind. Jedoch kennen die Amerikaner, insbesondere die New Yorker, nicht den klassischen Supermarkt wie wir. Das Angebot freshdirect bedient also eine Nische, ähnlich wie gourmondo.de hierzulande. Das Konsumverhalten ist dort drüben ganz anders, des Weiteren ist die dortige Internetbevölkerung weitaus weiter was Vertrauen und gestandener Geschäftsmodelle angeht.

Auch das englische Lebensmittelportal tesco.com lässt sich schwer als vergleichbare Idee anbringen, da hinter tesco.com ein Supermarktkonzern mit einem Umsatzvolumen (2008) von 52,5 Milliarden Euro steht. Vor allem in Irland gibt es zu Tesco kaum Alternativen. Und was den Schweizer Food-Shop LeShop.ch angeht: Hier steht das größte Schweizer Detailhandelsunternehmen hinter (Migros), das 2008 rund 17,1 Milliarden Euro umgesetzt hat. Es sind oftmals auch nicht unbedingt die Marken an sich, die ausschlaggebend sind, sondern vor allem auch die Ketten, in denen man einkaufen geht. Viele Discounter und Ketten haben ein bestimmtes Image an denen man sich orientiert und die man im Stadtbild auch durch Präsenz wahrnehmen kann. Bei einem reinen unabhängigen Lebensmittel-Onlineshop stelle ich mir das schwieriger vor.

» In den USA gibt es freshdirect, in England tesco.com, in der Schweiz LeShop.ch – die Zeit ist jetzt auch bei uns reif. «

Nein, würde ich so nicht unterschreiben. Die Idee ist an sich nicht schlecht, aber das Einkaufen von Lebensmitteln gehört zu den banalen Alltagsübeln. Habe ich Feierabend, gehe ich auf dem Heimweg am Supermarkt vorbei. Oder wenn ich was spezielles Essen will, dann gehe ich eben spontan einkaufen. So kann ich mich vor Ort auch noch mal umentscheiden oder eine andere Auswahl treffen. Wer garantiert mir, dass die Lieferung frisch ist. Das ist weitaus problematischer als eine Saftlieferung, auf die ich nicht angewiesen bin. Und auch wenn die Lieferung günstig ist und die Preise fair, an der Supermarktkasse bezahle ich trotzdem weniger.

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FilesOverMiles: Neuer unvergleichbar schneller File-Sharing-Dienst

fomGanz neu, jedoch noch in der Beta-Version, ist der Dienst FilesOverMiles. Optisch nicht sonderlich ansprechend, allerdings mit einem wirklich großen Nutzen. Files Over Miles ist grob zusammen gefasst die wahr gewordene Einfachheit des Datei-Tausches. Und das von Browser zu Browser.

Klingt nicht spannend? Ist es aber. Denn die meiste Zeit, die wir benötigen um Dateien mit jemanden zu teilen, zu senden oder zu tauschen, müssen Sender und Empfänger 1. beide online sein und 2. muss man den anderen fragen, ob er eine Datei erhalten möchte. Bei Instant- oder Multi-Messagern wie ICQ, Miranda, VoIP-Diensten wie Skype oder ähnliche Werkzeuge, dauert das Hochladen und Senden von Dateien viel Zeit, wenn die Dateien größer sind, ist das noch nerviger, da solche Clients einen mehr oder weniger nötigen vor dem Rechner sitzenzubleiben. Und man muss beten, dass die Verbindung während der Übertragung bei einem der beiden abbricht.

Filesovermiles.com ändert das.

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Der Dienst wendet das installierte P2P in Adobe Flash 10 und funktioniert so lediglich als ein Kanal zwischen den Browsern. Kein Hochladen mehr. Und ein Server ist auch nicht mehr notwendig.

Ohne diesen zwischengeschalteten Server, sind die Übertragungsgeschwindigkeiten lediglich vom Netzwerk selbst bedingt. Das ist absolut großartig. Die Größe der zu sendenden Datei spielt keine Rolle mehr.

Das Senden von Dateien und das Setup sind absolut minimalistisch und bedürfen keinerlei Registrierung:

  1. Klick auf „Browse“ um die zu sendende Datei auszuwählen.
  2. Nach wenigen Sekunden erscheint eine von FilesOverMiles-generierte URL, die man dann kopiert und an jemanden per Mail und Messanger schicken oder den Followern bei Twitter zur Verfügung stellen kann.
  3. Der Empfänger der URL klickt auf diese und die Übertragung der Datei beginnt sofort. Bereits nach dem Bruchteil einer Sekunde ist die Übertragung beendet und die Datei kann abgespeichert werden.

Ich bin absolut begeistert. Der Dienst kommt völlig ohne Erklärung zur Handhabung aus, wenn man weiß, dass er zum Senden von Dateien dient. FilesOverMiles könnte damit vielleicht populär werden.

Getestet wurde dieser Dienst von mir auf Windows. Allerdings arbeitet das auch hervorragend auf Linux oder Mac. Einziger Wehrmutstropfen: Die FilesOverMiles-Seite mit der vom Sender generierten URL, muss geöffnet bleiben, damit man auf die Datei zugreifen kann.

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Die Twitter-Generation und das Exempel Iran

Twitter LogoEin Grund, wieso Unternehmensblogs wenig gelesen werden bzw. wenig Resonanz erhalten, ist, dass viele selbstreferenziell schreiben. Das ist in Ordnung so. Umso erfrischender, dass es auch Unternehmensblogs gibt, die sich auch noch mit anderen Themen beschäftigen und das auch noch scharfsinnig. Das SinnerSchrader-Blog Fischmarkt gehört in diese Rubrik und weist eventuell auch deswegen eine gewisse Bekanntheit auf.

Ein tolles, wahres und zugleich auch sehr unangenehmes Statement:

» Es ist eine frappierende Parallelität der Ereignisse. Im Iran wird gerade versucht, eine Diktatur mittels Twitter zu stürzen. […] Es gelingt den Machthabern nicht, das Internet genauso zu zensieren wie die Massenmedien. […] Und in Deutschland schickt sich eine große Koalition an, just eine solche Zensurinfrastruktur einzuführen, wie sie die iranischen Machthaber gerne hätten. «

Diese „Einschätzung“ bringt es wirklich auf den Punkt.

Möglicherweise hat Twitter seinen Nutzen nun doch endlich gefunden, im Falle des Iran, das die Welt medial auszusperren versucht. Es zeigt, dass ein Regime machtlos ist, wenn eine Idee wie Twitter Millionen von kommunikativen Menschen hinter sich versammelt. Das ganze banale Gequatsche, das man an diesem Dienst kritisiert, spielt in diesem Fall keine Rolle mehr. Twitter erweißt sich als echte Chance. Twitter wird nichts ändern im Iran, aber es hält seine „Kamera(s)“ dort hin, wo der Journalismus nicht mehr hin kommt. In diesem, und nur in diesem Punkt, hat Twitter einen moralischen Wert errungen. Einen Versuch haben wir bereits beim Amoklauf in Winnenden erlebt, der unter anderem auch durch den Journalismus scheiterte.

Twitter ist zum aktuellen Zeitpunkt der Repräsentant der Freiheit, die man uns hierzulande per Gesetz aus der Hintertasche zu fingern versucht. Twitter ist auf dem internationalen Parkett der Kommunikation sehr wichtig geworden. Schon allein aus diesem Grund, sollten Twitter-Skeptiker und Kritiker versuchen ein kleines Stückchen weiter zu denken.
Aber nicht national. Ich würde sehr gerne wissen, was der Fischmarkt-Blog hiermit meint:

» Twitter könnte im kommenden Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen – und eine andere, als es sich die auf Barack Obama schielenden, twitternden Wahlkämpfer gedacht hatten. «

Die Twitter-Generation kämpft an einigen Fronten auf der Seite der Meinungsfreiheit. Aber es sind noch viel zu wenige. Schon allein aus diesem Grund, kann Twitter keine wichtige Rolle bei der kommenden Wahl spielen.
Aber in naher Zukunft ist das durchaus denkbar, wünschenswert und vor allem notwendig.

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The Persian Bay

Aus aktuellem Anlass heute mal ein Thema abseits des aktuellen E-Commerce Geschehens.  Die Betreiber des berüchtigten Torrentaggregators The Pirate Bay etablieren sich nicht länger nur als „Piraten“ , sondern wollen Ihren Einfluss auch in der aktuellen Weltpolitik geltend machen. Als Reaktion auf die derzeit gespannte Situation im Iran nach den gefälschten Wahlen haben die „Piraten“ ihre Seite nämlich nicht nur in „The Persian Bay“ umbenannt. Sie  verlinken auch gleich noch auf ein Forum der Internetprotestgruppe “Anonymous” in dem Iraner und andere Interessierte  im Internet ohne staatliche Überwachung frei diskutieren können. Ich finde diese Aktion der Pirate Bay Macher grandios, beherzt und wegweisend!

Globalisierte Zivilcourage at it´s best:
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Myfab.com untergräbt den Zwischenhandel

myfabDas französische Designmöbel-Portal und Startup myfab.com (gegründet 2008) steigt in naher Zukunft mit fünf Millionen Euro Kapital in der Tasche in den deutschen Markt ein, das von Risikokapitalgesellschaften Alven Capital und BV Capital stammt. Geplant ist der Eintritt Ende August bis Anfang September diesen Jahres.

Das Prinzip von myfab.com ist sehr interessant, da hier die Nachfrage klar dominiert. Es sind die Kunden, die per Onlineabstimmung entscheiden können, welche Produkte angeboten werden. Myfab orientiert sich an diesen Abstimmungsergebnissen, nimmt die Produkte in den Vertrieb auf und bestellt diese bei den entsprechenden Herstellern. Auch hier gewinnt wieder mein Unwort des Jahres: die Echtzeit. Denn der Kunde kann sämtliche Produktionsphasen auf der Website live mitverfolgen und bekommt dann seine Ware an die Haustür geliefert.

Allerdings, und das ist interessant, wird der Zwischenhändler einfach umgangen. Der Vorteil für myfab? Siehe IWB:

» Durch die Produktion auf Bestellung vermeidet myfab Fehl- oder Überproduktionen, Lagerkosten und teure Ladenmieten. Seit dem Launch im April 2008 wurden in Frankreich über 80.000 Artikel verkauft. «

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In einem sehr lesenswerten Beitrag vom Netzökonomen, wird diese Idee genauer unter die Lupe genommen.

Jesper Wahrendorf, (neuer) Geschäftsführer im deutschen Ableger von myfab und ehemaliger Business-Developer-Leiter bei Otto, äußerte sich dazu folgendermaßen:

» Ein Designersofa, das im Laden 4000 Euro kostet, wird für 200 Euro produziert. Der Rest geht für Zwischenhandel, Transport, Lagerung und natürlich die Margen drauf. Myfab.com schaltet diese Zwischenstufen aus. «

„Design on demand“ und die Beseitigung von „verkrusteten Strukturen“ stehen auf der Tagesordnung von Wahrendorf.

Das 4000-Euro-Sofa kostet dann „dank“ myfab nur noch 700 Euro; generell sollen die Ersparnisse bei knapp 70 Prozent gegenüber dem Ladenpreis liegen. Möbel sind im Übrigen erst der Anfang, da hier noch die größte Differenz zwischen Herstellkosten und Verkaufspreis. Denkbar sind auch Textilien, Schmuck oder Elektronikhandel. Alles Bereiche indem, laut Wahrendorf, Preisvorteile durch myfab verschafft werden können.

Die Vision von myfab ist einleuchtend: Die Umgehung von Warenhäusern, Zwischenlagern und Großhändlern, zu diesem Fazit kommt auch der Netzökonom. In gewisser Hinsicht, ist myfab jedoch selbst eine Art individualisierter Zwischenhändler, der dem Kunden Geld spart und damit selbst verdient. Die „verkrusteten Strukturen“ wie Wahrendorf sie tituliert, werden grob gesagt nur anders und neu ausgelegt. Aus der Ich-Perspektive (Stichwort: Marge). Myfab – Meine Fabrik?

Die Hersteller sitzen übrigens überwiegend in China. Das will ich jetzt mal unkommentiert stehen lassen.

Und was mich außerdem interessieren würde, wer die Designer sind, die die Produktvorschläge auf der myfab-Website erstellen, und wer diese womit bezahlt?

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